Resetarits: „Ich bin sicher kein Pitbull“

In diesem Jahr moderiert „Bürgeranwalt“ Peter Resetarits ab 11. August die „Sommergespräche“. Dem Motto seiner anderen Sendungen folgend sollen diesmal die Bürger das Fragen übernehmen.

Peter Resetarits gefiels beim Heurigen. "Wir hätten die Sendung eigentlich auch hier machen können", sagte er. / Bild: (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Peter Resetarits gefiels beim Heurigen. „Wir hätten die Sendung eigentlich auch hier machen können“, sagte er. / Bild: (c) Die Presse (Clemens Fabry)

Sie fanden wirklich schon überall statt, die „Sommergespräche“: im Dachfoyer der Hofburg (2011), in Betriebshallen (2010), auf Festspielbühnen (2009), bei Heurigen und gleich im ersten Sommer landete Sendungserfinder Peter Rabl mit dem damaligen FPÖ-Chef Norbert Steger im Swimmingpool. Heuer, im 33. Jahr, bleiben die „Sommergespräche“ im Studio am Küniglberg (was auch schon öfter vorkam). Dafür tingelt Moderator Peter Resetarits vorher durch das Land und holt Fragen und O-Töne der Bevölkerung ein, im Trailer der Sendung sagt er daher auch: „Ich stelle Ihre Fragen“. Wir trafen Resetarits zum Gespräch beim Heurigen Wambacher in Hietzing. Und während er im Gastgarten sitzt, sagt er: „Eigentlich hätten wir die Sendung auch hier machen können.“
Herr Resetarits, Sie arbeiten seit über 30 Jahren für den ORF, moderieren heuer erstmals (allein) die „Sommergespräche“. Warum tun Sie sich das an?

Peter Resetarits: Gefragt zu werden, ob man diese Sendung machen will, ist prinzipiell eine Ehre – noch dazu, wenn das Konzept der Sendung auf mich und meine Rolle als „Bürgervermittler“ und „Bürgerversteher“ zugeschnitten ist. Aber ich habe meine Vor- und Nachteile auf den Tisch gelegt und gesagt, was ich kann und was nicht so gut, wo es vielleicht Bessere gibt.

Und was können Sie nicht so gut?
Es gibt sicher Leute, die sich in den vergangenen 15 Jahren mehr mit innenpolitischen Themen beschäftigt haben als ich. Mein Vorteil ist, dass ich einen guten Überblick darüber habe, was die Leute wirklich stört. Wo öffentliche und veröffentlichte Meinung auseinander klaffen. Und ich kenn mich mit den Sorgen älterer Leute aus, rund um Themen wie Pension, Frührente oder Wohnen.

Es heißt, der Politik sei es Recht, dass heuer Sie dran sind, nachdem es u. a. 2013 nach den Wahlkonfrontationen Kritik am ORF gab. Haben Sie so einen netten Ruf?
Ich kenne meinen Ruf bei der Politik nicht, aber ich kann Ihnen ein paar Immobilienspekulanten nennen, Banken und Versicherungen, die mich nicht so nett finden.

Stimmt also nicht, dass sich Kanzler Werner Faymann lieber von Ihnen als von Armin Wolf befragen lässt?
Dazu habe ich wirklich keine Wahrnehmung. Ich bin im Ton freundlich und verbindlich, werde aber unter Beweis stellen, dass ich in der Sache sattelfest bin.

Der Kanzler war schon länger nicht mehr in der „ZiB 2″, elleicht auch wegen des hartnäckigen Fragestils von Armin Wolf. Werden Sie die Politiker sanfter anfassen?
Man muss ein vernünftiges Mittelmaß finden. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ein bisschen zu früh interveniert wird, da hätte ich noch ganz gerne, dass der Gedanke ausgesprochen wird. Vorgenommen habe ich mir, mich nicht mit Alibi-Antworten abspeisen zu lassen und auch die Bürger an meiner Seite zu fragen, ob sie mit dieser oder jener Antwort zufrieden ist.

Mehr Wickert als Broder

Richtig, dass Sie eher der Ulrich Wickert- und nicht der Henryk Broder-Typ sind?
Das mag sein. Ich bin wie ich bin und werde mich auch nicht für die Sommergespräche verbiegen. Es hat keinen Sinn, sich zu verstellen. Ich bin mein Lebtag gut damit gefahren, dass ich authentisch bin. Ich habe auch keine Lust, den Pitbull zu spielen, der ich nicht bin. Schließlich will ich danach die Sendungen, die ich bis jetzt mache, weitermachen.

Aber ist das nicht der größte Vorteil: Anders als frühere Moderatoren, sind Sie in Ihrem normalen Berufsalltag nicht darauf angewiesen, ob der Kanzler oder die anderen, ins Studio kommt oder nicht.
Das stimmt, das ist mir in Wirklichkeit auch vollkommen egal, ob das einem Politiker gefällt oder nicht. Auf der anderen Seite bin ich meinem Publikum und mir selbst verpflichtet, mir treu zu bleiben. Was ich befürchte ist, dass die Leute danach sagen: „Der ist immer so ruhig, aber da war er ein Unsympathler, der ist ja hysterisch.“ Das würde ich mir gerne ersparen, weil ich das auch nicht bin.

Einiges ist heuer anders: Sie gehen ab sofort auf Österreich-Tour, um Stimmen aus dem Volk einzufangen, im Studio werden Bürger zu Gast sein. Wird das nicht ein „Bürgerforum light“?
Nein. Die Fragen und Vorwürfe sind zum Teil recht harsch. Die Bürger auf der Straße sagen manchmal Dinge, die man sich als Journalist nicht zu fragen trauen würde. Mein Punkt ist es, den Hintergrund zu diesen Fragen zu recherchieren und mir ansehen, was die jeweilige Partei dazu schon gesagt oder gemacht hat.

Wie bereiten Sie sich vor?
Die wirkliche Vorbereitung beginnt jetzt. Das Konzept steht, wir wissen wie das Studio aussieht und nun geht es in die inhaltliche Vorbereitung. Ich denke mir Fragen aus, vergebe Recherecheaufträge, ersuche gewisse Dinge nachzuchecken.

Gibt es Vorgespräche mit den Politikern?
Null. Herrn Strolz (Neos, Anm.) und Frau Nachbaur (Team Stronach) habe ich noch nie gesehen. Alle anderen habe ich meist im Zuge der Bürgerforen kennengelernt. Ich rede weder mit den Pressesprechern noch mit den Kandidaten. Die sehe ich das erste Mal siebeneinhalb Minuten vor der Sendung.

Warten Sie bis kurz vor den Sendungen. Was tun Sie, wenn sich die Pressesprecher dann doch noch melden?
Dann ersuche ich Sie, die Sache mit dem Sendungsverantwortlichen zu besprechen, der das hervorragend macht und die wahren Entscheidungen trifft.

Im Plastiksessel neben Voggenhuber

Sie haben schon 1990 einmal bei den „Sommergesprächen“ mitgewirkt. Wie war das damals?
Der Ansatz war drei ORF-Reporter diskutieren mit einem Politiker. In der fixen Besetzung waren meine wirklichen Vorbilder Hans Benedikt und Johannes Fischer – und je ein jüngerer Reporter als Dritter. Ich war bei Johannes Voggenhuber dabei. Da saßen wir auf einer Burgruine im Waldviertel auf weißen Plastiksesseln mit tiefer Lehne im Kreis und es war unfassbar heiß.

Die „Sommergespräche“ sind 33 Jahre alt. Hat so eine Sendung noch Legitimität?
Sie sind mittlerweile zu einer Marke geworden. Die Leute wollen es sehen, die Politiker wollen über ihre Aktivitäten referieren. Die Publikumsakzeptanz ist noch da, wie man an den Quoten sieht.

Spüren Sie einen Quotendruck?
Nein. Ich wüsste auch nicht, was ich anders machen sollte, wenn ich einen Quotendruck hätte oder man mir eine Messlatte vorgehalten hätte. Wir versuchen eine spannende Sendung zu machen, aus der man etwas mitnimmt, bei der man vielleicht etwas Neues lernt.

Zu den „Sommergesprächen“ gehört auch ein bisschen, Persönliches über die Politiker herauszufinden. Wird das auch diesmal Platz haben?
Das diskutieren wir noch. Mich interessiert das persönlich null, aber es gibt Leute die sagen, das gehört dazu.

Sie haben ältere Menschen erwähnt, deren Sorgen Sie kennen. Verfolgen Sie auch jene der Jüngeren? Ich hab Sie weder auf Twitter noch auf Facebook gefunden.
Auf Twitter bin ich, aber nur passiv. Auf Facebook bin ich bis jetzt nicht, aus Sorge, die vielen Anfragen nicht zu schaffen. Ich werde, wo immer ich hinkomme, mit sehr konkreten Problemen konfrontiert. Neben der journalistischen Tätigkeit rutsche ich immer mehr in eine Beratungs- und Interventionstätigkeit. Meine Sorge war immer, wenn ich auf Facebook präsent bin, wird die Erwartungshaltung zu hoch. Wenn man so etwas nicht betreut, bekommt man Mails, die – zu Recht – so lauten: „Ich habe Sie sehr geschätzt, aber Sie haben nicht einmal ein Ohrwaschl gerührt. Ich habe Ihnen vor drei Wochen geschrieben, es geht um mein Kind und das ist Ihnen offenbar wurscht.“ Dafür geht demnächst die Facebook-Seite der Sendung online. Aber gut, dass sie mich erinnern, ich glaube, ich sollte an meinem Twitter-Account arbeiten.

Wenn es der ohne Foto und mit bislang null Tweets ist, sollten Sie vielleicht.
(Lacht) Und den Ulrich Wickert muss ich mir jetzt danach auch genauer ansehen.

Schon mal überlegt, sich mit der Beratungstätigkeit selbstständig zu machen?
Nein. Aber als Redaktion müssen wir uns das überlegen, ob man sich junge Juristen ins Team holt und eine echte Beratung durchführen soll und das als Teil von Public Value versteht. Was wir schon machen: Dass wir kompetent weiterverweisen an die Patientenanwälte, die Mietervereinigung oder die Volksanwaltschaft. Trotzdem gibt es sehr viele Anrufe von Leuten, die sich einen kompetenten Tipp erwarten. Und wenn wir den liefern könnten, würde uns das als öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht schlecht anstehen.

Wie oft haben Sie es bereut, nicht eine klassische Juristen-Karriere eingeschlagen zu sein?
Nie. Ich habe die Akribie, die wirklich gute Juristen haben müssen, nicht. Ich bin eine ganz gute Mischung aus mittelmäßigem Juristen und halbwegs gutem Geschichtenerzähler. Da ist der kritische Rechts-Journalismus genau das Segment, das sich für mich am besten ergibt.

„Sommergespräch“ ab 11. August, jeden Montag, 21.05 h, ORF 2;

„Fargo“: Gorillas im Schnee

Die grandios düstere Serie „Fargo“ bekommt eine zweite Staffel, allerdings mit neuen Darstellern. Was schade ist. Billy Bob Thornton und Martin „Hobbit“ Freeman werden fehlen.

Wer hat sich das nicht schon einmal gewünscht? Dass plötzlich ein großer, starker Mann auftaucht, zuhört und in Großer-Bruder-Manier die Probleme für einen löst. Für den Versicherungsangestellten Lester Nygaard – grandios tollpatschig gespielt von Martin Freeman (bekannt als Hobbit und als Sherlocks Assistent Dr. Watson in der gleichnamigen Serie) – erfüllt sich dieser Wunsch im unerwartetsten Augenblick. Mit blutiger Nase sitzt er in der Notfallambulanz, gedemütigt vom ehemaligen Schultyrannen Sam Hess, der ihm soeben vor seinen Söhnen bewiesen hat, dass er wie einst auf dem Schulhof der Stärkere ist. In der Ambulanz kommt er ins Gespräch mit diesem unbekannten nuschelnden Mann in klobigen Stiefeln und schwarzem Mantel – und plötzlich fragt dieser: „Wollen Sie, dass ich ihn töte?Ja oder nein.“ Lester, der Loser, gibt natürlich keine Antwort, das Angebot sieht er als dumme Blödelei.

Zwei Tage später ist Sam Hess tot – und wir sind mittendrin in der eiskalten Welt von „Fargo“. Angelehnt an den gleichnamigen Oscar-gekrönten Film der Coen-Brüder Ethan und Joel erzählt die zehnteilige Miniserie von einer Reihe von Verbrechen in und um das 13.000-Seelen-Örtchen Bemidji im US-Bundesstaat Minnesota. Dabei hat die Produktion mit ihrem Filmvorbild nur die eisig-morbide Stimmung gemeinsam. Es ist Winter, der Schnee liegt meterhoch, wer in Unterhosen durch den Wald läuft, erfriert.

Zehn Teile hatte die erste Staffel, die in den USA Mitte Juni zu Ende ging. Seit Dienstag ist bekannt, dass der Kabelsender FX eine zweite Staffel für Herbst 2015 plant. Die 18Emmy-Nominierungen, auch für die vier Hauptdarsteller, dürften den Sender motiviert haben. Doch FX, der die Serie gemeinsam mit den Coen-Brüdern produziert hat, geht einen mutigen Weg: Die neue Staffel erzählt eine völlig neue Geschichte und spielt zu einer anderen Zeit, daher werden lauter neue Darsteller gecastet. Das könnte sich als Fehlgriff erweisen, denn Staffel eins lebt vor allem von den Hauptdarstellern, wie Allison Tolman, die die zunächst noch einfältig wirkende Polizistin mimt, die plötzlich Hartnäckigkeit entwickelt.

„What if you’re right, and they’re wrong“

Zuallererst aber von der kongenialen Paarung Billy Bob Thornton und Martin Freeman. Ersterer spielt den eiskalten, abgeklärten Stiefelträger und Auftragskiller Lorne Malvo, Letzterer den eingangs erwähnten Underdog Lester, der von Bruder, Ehefrau, Chef und besagtem Ex-Schulkollegen untergebuttert wird. In einer Schlüsselszene in Folge eins erklärt der Bösewicht dem Verlierer bei Filterkaffee in einem typischen US-Diner sein Weltbild: „Dein Problem ist, dass du dein Leben lang geglaubt hast, es gibt Regeln. Die gibt es aber nicht. Wir waren immer Gorillas, die sich nahmen, was sie wollten, und es verteidigt haben.“ Was nach platten Klosprüchen („Nur der Stärkste überlebt“) klingt, verursacht dank Thorntons düsterer Mimik und dunklem Timbre trotzdem angenehme Gänsehaut– und entpuppt sich für Serienfigur Lester als lang ersehnter Befreiungsschlag. Plötzlich erkennt er den tieferen Sinn jenes Plakats, das im Keller an der Wand hängt: Ein roter Fisch schwimmt unter lauter orangen Fischen, darüber steht: „What if you’re right, and they’re wrong.“ Was also ist, wenn du, der ewige Underdog, recht hast, und alle anderen irren? Das ist eine schöne, beinahe kitschige Botschaft, auf der die Serie aufbaut. Und es ist wie ein Präludium für die darauffolgende blutrünstige Reise durch das winterliche Minnesota.

Manchen mag das zu brutal sein, selbst hartgesottenen „Game of Thrones“-Fans wird hier, in diesem viel realeren Setting, plötzlich zu viel gemordet. Dabei kommt der Tod in „Fargo“ zwar häufig (und häufig ohne Vorwarnung), aber immer ohne Grusel-und-Graus-Effekt. Anders als beim Kopf-ab-Gemetzel von „Game of Thrones“ wird beinah sauber getötet. Serienpuristen werden „Fargo“ mögen. Ganz beiläufig werden hier wunderschöne Szenen von Schnee (und Blut im Schnee), Eis und US-amerikanischem Kleinstadtleben gezeigt. Und die Ironie zieht sich bis in kleinste Details. So zum Beispiel in das Insert, das zu Beginn jeder Folge aufscheint: „This is a true story.“ Es ist reine Fiktion.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 23.07.2014)

(Credit: FX/Fargo)

 

Eizellkönigin oder nicht?

Selbstversuch: Der Ferticheck ist einfach, tut nicht weh, aber eine Garantie für spätere Schwangerschaft ist er nicht.

Man soll ja nie sagen, man wisse schon alles über den eigenen Körper. Das Erste, was ich also lerne, ist, dass ich – wie jede andere Frau – seit meiner Geburt eine bestimmte Anzahl an Eizellen in mir trage. 100.000 bis 300.000 Stück. Und die werden von Monat zu Monat, von Eisprung zu Eisprung weniger. Dank des zwar nicht neuen, aber in Österreich noch eher unbekannten Fertichecks kann jede Frau abklären, wie ihr Eizellstatus aussieht. Das erinnert mich an Jess aus der Serie „New Girl“. In der Folge „Eggs“ macht sie diesen Test und nennt sich danach dank ihrer Bestwerte stolz „Eierkönigin“.

Auch ich bin in der Zielgruppe für diesen Test: Anfang 30, mit klarem Kinderwunsch, dennoch will ich mir zur Sortierung von Beruf und Privatleben noch ein paar Jahre mit der Familiengründung Zeit lassen. Der Test könnte mir sagen, ob ich diese Zeit überhaupt noch habe oder ob ich besser schon übermorgen versuchen sollte, schwanger zu werden. Freundinnen sind skeptisch: „Und was machst du, wenn nicht alles in Ordnung ist?“, fragen sie.

Darüber mache ich mir vorerst keine Gedanken. Erst als ich im Labor zur Blutabnahme sitze, wird mir mulmig. Zufall oder nicht: An diesem Morgen zähle ich 15 (sichtbar) schwangere Frauen im Wartezimmer. Zehn Tage später, Termin beim Arzt: Östrogen, Prolaktin, Testosteron – meine Hormonwerte liegen völlig in der Norm. Dennoch zeigt sich mein Alter schon, der Wert des Anti-Müller-Hormons (das Rückschluss auf die vorhandenen Eizellen gibt) liegt nur mehr bei fünf. Der Maximalwert (bis unter 30) ist sieben, eine Frau mit 40 erreicht gerade noch zwei. Der Arzt beruhigt mich, meine Werte sind für mein Alter ideal, auch der Eierstockultraschall ist in Ordnung.

Ein schneller Test und dann? Ich weiß jetzt, dass ich noch nicht im frühzeitigen Wechsel bin, mein „Eierdepot“ noch gut gefüllt ist. Doch viele andere mögliche Fehlerquellen können nicht eliminiert werden. Eine kleine Beruhigung ist der Test, auch eine Bewusstseinsbildung für das Thema Fertilität, doch er kann nie, nie, nie Garantie für eine spätere Schwangerschaft sein.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 20.07.2014)

Ein Crashtest für die Fruchtbarkeit

Ein Wiener Kinderwunschzentrum will die Öffentlichkeit auf die sinkende Fertilität von Frauen ab 40 aufmerksam machen. Mit dem „Ferticheck“ könnten Frauen schon in jungen Jahren ihre Fruchtbarkeit abklären.

Claudia Hermann und Martin Sommer sind aufgeregt, aber guter Dinge. Im Oktober werden die beiden Lehrer Eltern, der gewölbte Bauch ist auch schon unter der weiten Sommerbluse erkennbar. Vor exakt einem Jahr waren sie das erste Mal im Wiener Kinderwunschzentrum Goldenes Kreuz bei einem Infoabend. Erleichtert seien sie gewesen, erzählt Hermann, „dass es auch noch andere junge Menschen gibt, die Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden.“ Denn Hermann ist 33 und damit für die Fortpflanzungsmedizin noch sehr jung. Trotzdem hat es aufgrund einer organischen Ursache nicht mit dem Kinderwunsch geklappt. „Auf natürlichem Weg ist bei uns eine Schwangerschaft nicht mehr möglich, also mussten wir es künstlich probieren“, erzählt Martin Sommer. Im Herbst folgte der erste Versuch einer In-vitro-Fertilisation. Ein „Riesenprozedere“, vor allem emotional rollte an: Notarielle Beglaubigung organisieren (für nicht verheiratete Paare verpflichtend), Hormone spritzen, somit Eizellen stimulieren, Ultraschall machen, Samenspende, Eizellenpunktion. „Dazwischen heißt es immer warten, aufs Ergebnis und darauf, ob der nächste Schritt überhaupt gemacht werden kann“, erinnert sich Claudia Hermann. Die nervenaufreibendste Wartezeit ist die zwischen dem Einsetzen der Eizelle und dem Anruf, ob der Körper die befruchtete Eizelle angenommen hat, das heißt, ob man schwanger ist. Bei ihnen brachte der Anruf im Herbst keine guten Nachrichten: Es hat nicht geklappt.

Sinkende Geburtenrate stoppen. So wie dem Lehrerpaar Hermann/Sommer ergeht es jährlich tausenden Paaren in Österreich. Laut Statistik Austria versuchen bis zu 30 Prozent aller Paare länger als zwölf Monate, schwanger zu werden. Dabei hat die zunehmende Infertilität nicht nur mit dem Altersanstieg der Mütter, sondern auch mit steigenden Einflüssen der veränderten Umwelt und einem ungesunden Lebensstil (Stress, Nikotin, mangelnde Bewegung) zu tun. Die Reproduktionsmediziner Andreas Obruca und Heinz Strohmer helfen in ihrem Kinderwunschzentrum Goldenes Kreuz jener wachsenden Gruppe an Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch. Zuletzt haben sie eine enorme Altersverschiebung unter ihren Patienten bemerkt – so hat sich in zehn Jahren das Durchschnittsalter ihrer Patientinnen um zwei Jahre auf 36,5 verschoben.

Was die Reproduktionsmediziner aber besonders verblüfft, ist das fehlende Wissen in der Bevölkerung über den Zusammenhang zwischen dem Lebensalter der Frau (und zum Teil auch des Mannes) und der Möglichkeit einer Schwangerschaft. Durch Medienberichte würde immer noch der Eindruck entstehen, es sei spielend leicht, auch nach dem 40. Lebensjahr schnell schwanger zu werden. „Tatsächlich gibt es einen Abfall der Fertilität, der dramatisch mit 38 beginnt, und mit 42 flacht die Fertilitätskurve noch einmal sehr stark ab“, sagt der Obruca.

Kampagne und Ferticheck

Er und sein Kollege haben nun eine Idee, wie man der sinkenden Geburtenrate entgegenwirken könnte: Sie wollen ein Bewusstsein für die fallende Fertilität schaffen und dafür die Politik ins Boot holen. In einem Informationsbrief an die Ministerien für Gesundheit, Frauen (beide SP) und Familie (VP) haben sie ihre Ideen formuliert: Mit einer Kampagne könnte darauf aufmerksam gemacht werden, dass es nicht selbstverständlich ist, dass Frauen in jedem Alter ein Kind bekommen. Zusätzlich weisen die Ärzte auf eine einfache Untersuchung hin, mit der man den Fruchtbarkeitsstatus der Frau messen kann. „Diese Untersuchung ist nicht völlig neu“, sagt Obruca. Jeder Gynäkologe könne sie heute bereits durchführen, doch sei sie unter niedergelassenen Ärzten und in der Bevölkerung noch zu wenig bekannt.

Der sogenannte Ferticheck umfasst einerseits eine Blutuntersuchung, bei der die Hormone im Blut – darunter das Anti-Müller-Hormon und das follikelstimulierende Hormon – analysiert werden. In einem zweiten Schritt wird ein Ultraschall des Eierstocks gemacht. Die Untersuchung hilft vor allem Patientinnen, die an einem krankhaft früh einsetzenden Wechsel, dem sogenannte Premature Ovarian Failure (POF), leiden. Ein bis zwei Frauen pro 1000 sind davon betroffen. Wenn etwa eine 30-jährige Frau, die sich mit dem Kinderkriegen noch ein paar Jahre Zeit lassen will, durch diesen Ferticheck erfährt, dass die Anzahl ihrer Eizellen gemessen an ihrem Alter schon deutlich gesunken ist, kann sie sich entscheiden, das Kinderthema nicht mehr auf die lange Bank zu schieben.

Kritiker wie der Journalist Andreas Bernard (siehe Interview) wittern hier reine Geschäftemacherei eines Kinderwunschzentrums. Andreas Obruca verneint und sagt: „Im Gegenteil.“ Sein Zentrum sei nicht die richtige Anlaufstelle für den Ferticheck und hätte auch gar nicht genügend Kapazität. Zu ihnen würden zudem nur Frauen kommen, die bereits einen unerfüllten Kinderwunsch haben. Seine Idee sei lediglich, den Ferticheck bekannter zu machen, so dass ihn möglichst viele niedergelassene Ärzte anbieten können. Und der Wunsch an die Politik sei, die Untersuchung, die rund 100 Euro kostet (je 50 Euro für Hormonbestimmung und Ultraschall), finanziell zu unterstützen, damit möglichst viele Frauen diesen Test machen können. „Jeder Frau, der man die Pille verschreibt, sollte man den Ferticheck anbieten.“

Wie klingt so ein Test für eine Frau wie Claudia Hermann, bei der im Jänner der zweite IvF-Versuch endlich funktioniert hat? „Ich bin da zweigeteilt“, sagt sie. Es sei enorm wichtig, über die sinkende Fertilität aufzuklären – andererseits haben sie ihre Erfahrungen mit Zahlen geprägt: „Die Gefahr sehe ich, dass man diversen Zahlen zu viel Beachtung schenkt und eine Maschinerie von Kontrollen und Tests beginnt. Zudem geht Natürlichkeit, Vertrauen in den Körper verloren.“

Vorsorge wie beim Krebsabstrich

Andreas Obruca vergleicht den Ferticheck mit einer Vorsorgeunterschung wie dem Krebsabstrich des Gebärmutterhalses (PAP-Test). Durch diese von der Krankenkasse bezahlte Routineuntersuchung konnte die Häufigkeit von Gebärmutterhalskrebs deutlich reduziert werden. „Natürlich wird auch der Ferticheck, wenn der Befund nicht in Ordnung ist, zu einem Denkprozess führen. Das soll es ja sogar, weil ich dann noch Zeit habe, etwas zu tun.“ Wobei der Reproduktionsmediziner einräumt, dass mit dem Ferticheck auch nicht alle Fehlerquellen im Körper einer Frau gefunden werden.

Ähnlich wie Claudia Hermann spricht die zweifache Mutter Manuela offen über ihre Erfahrungen mit IvF. Sohn Yannik ist fünf und natürlich gezeugt worden, damals war seine Mutter 40. Der Wunsch nach einem zweiten Kind war groß, doch auf natürlichem Weg ging das nicht mehr. Also entschied sie sich für eine IvF-Behandlung, die schon beim ersten Mal klappte. Tochter Amelie ist heute acht Monate alt. Für Manuela ist der künstliche Eingriff ganz normal gewesen. „Ab dem Zeitpunkt, in dem ich wusste, es hat funktioniert, war es wie eine ganz normale Schwangerschaft.“ Sie habe nur noch mehr gelernt, welches Geschenk es ist, ein Kind zu bekommen. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass die Fertilität ab dem 40. Lebensjahr absinkt. „Sonst hätte ich vielleicht schneller versucht, ein zweites Kind zu bekommen“, sagt sie. Den Ferticheck hält sie daher für sinnvoll.

Und die Politik, wie reagiert die auf den Vorschlag? Aus den Ministerien kommen wohlwollend-zurückhaltende Antworten. Im Familienministerium heißt es zwar: „Die Kinder, die sich Familien wünschen, sollen auch geboren werden“, man verweist aber lieber auf anerkannte medizinische Methoden wie IvF. Und das Gesundheitsministerium bestätigt nur, dass Information der Bevölkerung ein wichtiges Erfordernis sei, um Menschen ein gesundes Leben zu ermöglichen. Ein freundliches Abnicken der Forderungen, mehr ist das nicht. Verständlich, wenn man bedenkt, dass die Politik in der Reproduktionsmedizin zuerst andere Hausaufgaben zu erledigen hat: Im Jänner hat der VfGH das sogenannte Lesbenverbot im Fortpflanzungsmedizingesetz, also das Verbot der künstlichen Befruchtung bei gleichgeschlechtlichen Paaren, aufgehoben. Das Gesetz wurde bisher noch nicht entsprechend geändert.

99 Ideen für Österreich: Die Idee

Andreas Obruca und Heinz Strohmer sind Ärzte am Kinderwunschzentrum Goldenes Kreuz. 

Ihr Vorschlag gegen die sinkende Geburtenrate: 1. Eine Kampagne soll die Öffentlichkeit über den Abfall der Fertilität ab dem 38. Lebensjahr informieren. 2. Es wäre wünschenswert, wenn die Politik den Ferticheck (Ermittlung des Fruchtbarkeitsstatus ) finanziell unterstützen würde.

„Presse am Sonntag“, 20. Juli 2014

Phänomedial: „The Leftovers“ – Kettenrauchen gegen das Verschwinden

Das neue postapokalyptische Drama mit einigen Serienstars dürfte rasch treue und geduldige Fans finden.

HBO

Das einjährige Baby, Papst Benedikt XVI., Jennifer Lopez, die Ehefrau des Nachbarns und Salman Rushdie – sie alle sind plötzlich weg. Zwei Prozent der Bevölkerung – also 140 Millionen Menschen und damit jeder fünfzigste Mensch – sind an diesem 14. Oktober vor drei Jahren spurlos verschwunden. Keiner weiß, warum und wohin. Das ist das ebenso rätselhafte wie beunruhigende Setting der neuen HBO-Serie „The Leftovers“, die am Sonntag in den USA angelaufen ist.

Drei Jahre sind seit diesem Tag vergangen und die Welt ist eine andere geworden. Die „Zurückgebliebenen“, wie die Serie wohl etwas missverständlich auf Deutsch heißen könnte (besser wäre wohl: „Die Übriggebliebenen“ oder wörtlich: „Die Reste“), kämpfen mit und gegen das Unerklärliche, jeder auf seine Weise. Der eine erschießt wahllos streunende Hunde und Rehe, andere bleiben nach außen kontrolliert, tauchen aber Nachts im Pool unter – nur dort kann man so laut und lang schreien ohne gehört zu werden. Wieder andere schließen sich der sektenartigen Gemeinschaft namens „Guilty Remnants“ (die schuldigen Übriggebliebenen) an, deren Mitglieder weiße Gewänder tragen, kettenrauchen und nicht mehr miteinander sprechen, sondern nur schriftlich kommunizieren. Sie glauben, dass die Menschheit schuld an dem Verschwinden von Teilen der Bevölkerung ist und halten eine Rückkehr der Verschollenen für ausgeschlossen. Allen anderen, die weiterhin nach einer Erklärung für dieses Mysterium suchen, werfen sie Zeitverschwendung vor. Der Sekte angeschlossen hat sich auch die Ehefrau von Hauptfigur Kevin Garvey (gespielt von Justin Theroux). Als Polizeichef des fiktiven Städtchens Mapleton im US-Bundesstaat New York ist er einer von jenen, die herausfinden wollen, was passiert ist. Nebenbei versucht er seine Frau in sein Leben zurückzuholen, während seine Teenager-Tochter sich isoliert, sein erwachsener Sohn nicht mehr mit ihm spricht.

Die neue Serienware von „Lost“-Autor Damon Lindelof weckt Erinnerungen an die französischen Serie „Les Revenants“ („Die Zurückgekehrten“) und die US-Produktion „Under the Dome“. Wieder werden die Bewohner eines kleinen Städtchens Zeugen und Opfer eines übernatürlichen Ereignisses. Apokalyptische Settings wie diese folgen einem einfachen Rezept: ist der Zuseher in der Pilotfolge einmal infiziert, bleibt er bis zum Ende dran, um das Geheimnis hinter den myteriösen Umständen zu erfahren. Von Folge zu Folge wird ein bisschen mehr verraten, doch das große Ganze wird erst später oder sogar in der nächsten Staffel präsentiert.

HBO/Paul Schirald

„The Leftovers“ basiert auf dem gleichnamigen Roman des US-Bestseller-Autors Tom Perotta und wartet gleich mit mehreren bekannten Darstellern auf. Die Frau von Polizist Kevin Garvey etwa wird von Amy Brenneman dargestellt, manchen vielleicht noch bekannt aus der Anwaltsserie „Für alle Fälle Amy“ und dem „Grey’s Anatomy“-Spinoff „Private Practice“. In dieser Rolle dürfte sie an ihren schauspielerischen Grenzen stoßen, immerhin darf sie keinen einzigen Satz sprechen. Ebenfalls dabei ist Liv Taylor.

Die 72-minütige Pilotfolge war tatsächlich mitreißend und durchaus komplex. Die Serie könnte also rasch eine treue Fangemeinde erreichen, obwohl zum Auftakt am Sonntag in den USA nur 1,8 Millionen zusehen wollten. Einziger Minuspunkt (nach der ersten Folge): Die Stimmung in „The Leftovers“ ist trist und würde eher zu nebligen Novembertagen als in die Sommermonate passen. Zudem werden wir die vielen Stars genau beobachten. Mal sehen, ob sie halten was ihr Star-Appeal verspricht.

SkyGo zeigt die Serie seit 30. Juni im Originalton. Ab Herbst läuft die Serie auf Sky Atlantic HD in synchronisierter Fassung.