„Blendle“: Eine Revolution?

Zwei 27-jährige Holländer haben mit „Blendle“ so etwas wie iTunes für Nachrichten kreiert. Ein Münchner Start-up stellte „Laterpay“ vor.

Hollands Medienbranche steckt dieser Tage alle Hoffnungen in zwei 27-jährige ehemalige Journalisten und ein Ding namens „Blendle“. Denn schließlich haben Alexander Klöpping und Marten Blankesteijn nichts weniger als „die Revolution“ für die Branche angekündigt. Was manch ältere Journalisten und Verleger noch zu einem eher ungläubigen „Na, das werden wir erst sehen“ hinreißt.

Blendle (kommt vom Englischen „Blender“, also Mixer) soll so etwas wie das iTunes für Nachrichten sein und ein soziales Netzwerk gleich dazu. Eine einfach zu bedienende Plattform, auf der man Nachrichten aus allen Medien des Landes kaufen kann. Schon vor dem offiziellen Start im April sind 95Prozent aller niederländischen Medienmarken an Bord, erzählt Marten Blankesteijn. Zweieinhalb Jahre haben er, sein Kompagnon Klöpping und zwölf Entwickler und Designer an dem Produkt gefeilt. Klöpping ist mit 155.000 Twitter-Followern und als häufiger Gast in Talkshows eine recht bekannte, manche sagen, sehr von sich überzeugte Medienfigur in Holland. Blankesteijn erzählt von den Anfängen der News-Mix-Idee: „Wir hatten zuerst nur ein Stück Papier mit unserer Idee. Die ließ sich so aber schwer verkaufen.“ Also begaben sie sich auf die Suche nach Sponsoren und Verlagen, die sich bereit erklärten, eine Demoversion mitzufinanzieren. Das wirkte schon überzeugender. „Denn sehen ist glauben“, so Blankesteijn. Sein Marketingsprech sitzt schon fast so gut wie der der großen Digitalkonzerne.

Aber wie genau funktioniert Blendle? Jeder Nutzer bekommt zu Beginn ein Guthaben von zwei Euro geschenkt, mit dem er Artikel auf der Onlineplattform kaufen kann. Die Texte kosten zehn bis 45 Cent oder mehr. Von Online-Supermärkten wie Amazon und Zalando haben sie sich die Philosophie des Rückgaberechts abgeschaut. Wer das Gefühl hat, der gekaufte Artikel hielt nicht, was er versprach, kann sich innerhalb von 24 Stunden das Geld zurückholen. Relativ viel Zeit, um sich eine Meinung über einen Text zu bilden, sogar so viel, dass man ihn fotografieren oder gar abschreiben kann. Doch gegen Missbrauch sind die Blendler angeblich gerüstet: Ein Automatismus verrät, wer wie oft den „Refund“-Knopf drückt. Man wird gesperrt, wenn das zu oft vorkommt. Generell wolle man dem Prinzip folgen: „You only pay for articles that you like.“
Spotify versus iTunes. Für das Modell von iTunes und gegen das von Spotify habe man sich bewusst entschieden. Bei dem schwedischen Musikdienst bezahlt der Nutzer eine Flatrate von 9,99 Euro pro Monat für werbefreien Musikgenuss. „Die Verlage hat diese Flatrate aber abgeschreckt.“ Kein Verleger will sein Zeitungsabo, das beispielsweise 30 Euro pro Monat kostet, zum Niedrigsammelpreis von zehn Euro pro Monat für alle Inhalte verscherbeln. Dies sei der größte Unterschied zur Musikindustrie, so Blankesteijn. „Die hatte nie Abonnenten zu verlieren, die 30 Euro pro Monat gezahlt haben.“

Ähnlich wie der iTunes-Erfinder Apple schneiden die Blendler 30 Prozent am Umsatz ihrer Kunden mit. „Der Unterschied ist aber, dass wir eine komplett fertige Plattform anbieten, die von allen Geräten abrufbar ist. Bei der Nutzung einer iTunes-App muss man erst einmal auf eigene Kosten eine App entwickeln.“ Gezahlt wird nach der Anmeldung und dem Erstellen eines eigenen Profils mit einem Klick. Insgesamt klingt das nach einem durchdachten, auf Qualitätsmedien abgestimmten Konzept – aber wird es die Medienbranche revolutionieren? Die Blendler sind sich sicher. Ihr Dienst werde den Verlagen erstmals helfen, den Wert eines einzelnen Artikels zu ermitteln. Ein Erfolg für Holland wären 25.000 zahlende Nutzer. Ein (logischer) nächster Schritt wäre die Expansion in andere Länder. Schon jetzt gebe es viele Anfragen großer europäischer Verlage.

Dass die holländischen Verlage dem Start von Blendle mit gemischten Gefühlen entgegensehen, sagt Blankesteijn natürlich nicht dazu. In Holland hat fast jede nationale Tageszeitung ihre eigene Paywall (Bezahlschranke) im Internet eingerichtet, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Das dürfte zwar den Boden für eine Bezahlkultur bereiten, wovon Blendle nun profitieren könnte. Den Verlagen wird es aber nur wenig gefallen, dass sich ihre Kosten für aufwendige Paywalls möglicherweise nicht wirklich gelohnt haben, wenn jetzt das zahlbereite Lesepublikum zum hübscheren und technisch ausgefeilteren Blendle wandert. Andererseits: Wer bereits regulärer Abonnent einer Zeitung ist, bekommt alle Texte der Publikation auf Blendle automatisch freigeschaltet. Die Erwartungen sind nicht nur in Holland groß. Für manche Blogger ist es gar die „most sexy paywall in the world“, die Spaß macht.

Spaß machen. Das ist offenbar das Wort der Zeit, wenn es um das Bezahlen im Netz geht. Auch das am Donnerstag von einem Münchner Start-up und dem Blogger Richard Gutjahr präsentierte Micropaymentsystem wurde im Blog Netzwertig gleich als so einleuchtend gepriesen, „dass es sogar Spaß machen könnte“. Bei „Laterpay“ klickt der Nutzer auf einen Artikel, erfährt, wie viel er kostet, muss sich aber erst ab einer Summe von fünf Euro registrieren und dafür zahlen. Laterpay basiert auf der optimistischen Philosophie, dass der Leser für Texte zahlen will, wenn sie ihm etwas nutzen. Ähnlich wie bei Blendle will man mit Laterpay langsam, aber bestimmt das Ende der Gratismentalität im Netz einläuten.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 23.03.2014)