Phänomedial: Nachschub aus Borgen-Land

Oxford Diaries. Es muss Liebe sein: Wie die Briten der dänischen Politserie „Borgen“ verfallen – und sich Dänemark aus Dank für diese Zuneigung mit einer „Downton-Abbey“-Fortsetzung revanchiert.

Vergangenen Samstag ging auch in England die dänische Serie „Borgen“ zu Ende. Und das war nicht zu übersehen. Die Wochenendzeitungen waren voll mit huldigenden Abschiedskritiken („Daily Telegraph“) oder ganzseitigen Analysen, warum sich britische Politiker ein Vorbild an der Hauptfigur Birgitte Nyborg nehmen und so wie diese in der dritten und letzten Staffel eine neue Partei gründen sollten. Ganz vorne an der Fan-Front steht der „Guardian“, der schon früh die Liebe zur dänischen TV-Welt entdeckt hat und seit Staffel 1 einen Serienblog betreibt. Anfang November versuchte das Blatt zu erklären, „Why Britain loves Borgen“, blieb dann aber leider überraschende oder zumindest amüsante Erkenntnisse schuldig. Dabei wäre es so einfach: Auch in England mag man starke Frauen, sympathische Charaktere und den manchmal etwas zu gutmenschelnden Politikstil. Zudem vermute ich mal, die Briten mögen das lustige Gekluckse der Dänen, denn die Serie wird auf BBC4 (anders als bei uns) nicht synchronisiert, sondern nur Englisch untertitelt. Die Zuneigung scheint aber wirklich besonders groß, BBCs Radio 4 stahlt dieser Tage die gleichnamige Hörspielreihe, die von den „Borgen“-Machern produziert wurde.

Neuer Stoff aus Dänemark: Krieg und Familie

Und jetzt kommt Nachschub aus Borgen-Land. Gleich zwei neue Serien aus der Werkstatt des dänischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks DR sollen 2014 in England auf Sendung gehen. Während sich die ganze Welt an den Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren erinnert, blickt Dänemark noch 50 Jahre weiter zurück – auf den Deutsch-Dänischen Krieg im Jahr 1864, die zweite kriegerische Auseinandersetzung nach 1848-1850, in der auch das Kaisertum Österreich an der Seite des Königtums Preußen um das Herzogtum Schleswig kämpfte.

Die Serie heißt wie das Kriegsjahr und dreht sich um die zwei Brüder Peter und Larst und ihre Liebe zur selben Frau, der schönen (na klar), aber ebenso gescheiten Inge – all das spielt vor, mitten und abseits des Schlachtfeldes. Auf einer zweiten Ebene begibt sich der Plot in die Gegenwart und lässt die junge Frau Claudia, deren Bruder als Soldat in Afghanistan ums Leben kam, das Tagebuch von Inge finden und ihre Geschichte nacherzählen. Natürlich spielt auch hier wieder der halbe „Borgen“- und „Killing“-Cast eine Rolle, unter anderem Pilou Asbæk (Kasper in „Borgen“) und sogar Side Babette Knudsen (die Hauptfigur aus „Borgen“) in einer kleinen Nebenrolle. Dass Dänemark klein und die Schauspieler in fast jeder Produktion auftauchen haben auch die Briten erkannt. Der „Guardian“ schlüsselte unlängst die wichtigsten Schauspieler und ihre Serienfiguren in einer Grafik auf und fragte dazu: „Are there actually more than 14 actors working in Scandinavian noir drama?“. „1864“ dürfte eher Stoff für den deutschsprachigen Markt sein.

Serie Nummer zwei aus dem Haus DR startet im Jänner in Dänemark und „Arvingerne“ („Die Erben“), auf Englisch „The Legacy“, hat großes Potenzial, wieder ein Hit zu werden. Wie als kleines Dankeschön an die treuen britischen „Borgen“- und „The Killing“-Fans bezeichnen die Macher der Serie auch das britische „Downton Abbey“ als wichtigen Einfluss für ihre Produktion. Aber auch Ang Lees Film „Der Eissturm“ (1997) über die eisige Kälte in einer amerikanischen Kleinfamilie (Kevin Kline, Sigourney Weaver) sei Inspiration gewesen. Schließlich knüpft „Arvingerne“ auch ein bisschen an Thomas Vinterbergs Dogma95-Film „Das Fest“ an – freilich etwas leichtfüßiger und massentauglich.

Im Mittelpunkt steht die exzentrische Künstlerin Veronika Grønnegaard, die in der Pilotfolge von ihrer unheilbaren Krebskrankheit erfährt. In Rückblicken und Szenen am ländlichen Familiensitz werden die vier erwachsenen Kinder der Künstlerin und ihre Beziehungen beleuchtet. Dunkle Geheimnisse sind da natürlich vorprogrammiert. „The Legacy“ sei „ein modernes Familienporträt“ und ein „Sittenbild der 68er-Generation und ihrer Kinder“, heißt es im Pressetext. Und das klingt tatsächlich ein bisschen wie die dänische Fortsetzung von „Downton Abbey“. Bleibt eigentlich nur mehr dem ORF zu raten, diesmal schneller zuzuschlagen als bei „Borgen“.

Kleiner Nachtrag: Auch der „Guardian“ ist im Ranking-Fieber und hat vor dem Jahreswechsel noch ein „Best TV of 2013“ veröffentlicht. Siehe da, auf Platz eins landet nicht eine der üblichen Serien-Liebkinder wie „Game of Thrones“ (Platz 4) oder „Breaking Bad“ (Platz 2), sondern wieder eine nicht-englischsprachige Produktion, nämlich die hierzulande noch eher unbekannte französische Horrorserie „The Returned“ (Les Revenants) über die Kollegin Heide Rampetzreiter bereits vor ein paar Wochen geschrieben hat. Die von Canal+ produzierte Serie, die erst im November in Frankreich ausgestrahlt wurde, spielt in einem französischen Bergdorf in dem eines Tages Verstorbene im Kreis ihrer Familie auftauchen. Glaubt man dem britischen Blatt ist das die klassischste TV-Produktion des Jahres gewesen.