Die alte Buchhandlung der Juristen: 225 Jahre rund um das Schottentor

Jubiläum. Der Kuppitsch ist mehr als eine Anlaufstelle für Wiens Jusstudenten. Die Buchhandlung hat auch eine bewegte Geschichte hinter sich.

So nüchtern klangen einst öffentliche Anzeigen zu Firmenjubiläen: „Über die Geschichte der Firma Kuppitsch, die im Kulturleben der Stadt Wien immerhin eine Rolle gespielt zu haben scheint, ist mit Ausnahme der trockenen Daten nicht viel zu schreiben.“ Dies sind die Worte einer undatierten Anzeige der Österreichisch-Ungarischen Buchhändler-Correspondenz, die wohl in den späten Zehner-Jahren des 20. Jahrhunderts erschienen sein muss. Die trockenen Daten der Buchhandlung Kuppitsch wurden in den vergangenen hundert Jahren um viele gar nicht trockene Geschichten angereichert. Nur der Satz „Jurisprudenz ist die Hauptstärke der Firma“ trifft heute (zumindest teilweise) immer noch zu, schließlich ist der Kuppitsch an der Ecke Schottengasse/
Helferstorferstraße nach wie vor erste Anlaufstelle für Jusstudenten und Professoren aus dem benachbarten Juridicum.

Das vergangene Jahrhundert war für den Kuppitsch, der diesen Herbst sein 225-jähriges Bestehen feiert, jedenfalls turbulenter als die ersten hundert Jahre. „Und es ist erstaunlich, wie wenig man im Grunde aus der 225-jährigen Geschichte weiß. Vermutlich hat sich in 200 Jahren nicht so viel getan wie in 25“, sagt Michael Kratochvil, der die Buchhandlung seit einigen Jahren leitet. Gegründet wurde die Buchhandlung 1789, und sie befand sich damals noch an der Adresse Schottenring 8. Erst 1821 trat Matthäus Kuppitsch in das Geschäft ein und gab ihm seinen heutigen Namen. Nach einigen Besitzerwechseln begann 1886 der jüdische Lehrbub Arnold Schlesinger als Gehilfe, übernahm 1902 die Firma und führte sie bis zum Anschluss Österreichs 1938, bei dem die Buchhandlung arisiert wurde. Schlesingers Frau nahm sich aufgrund der Umstände ein Jahr später das Leben. 1942 starb auch Schlesinger, bis  heute ist unklar, ob er ebenfalls den Freitod wählte oder durch das NS-Regime zu Tode kam. Besser erging es Schlesingers Tochter Margarete und ihrem Mann Otto Günther – sie konnten das Konzentrationslager Dachau durch glückliche Umstände verlassen und ihnen gelang die Ausreise in die USA. 1950 kehrten die beiden mit ihren Töchtern Zita und Monika nach Wien zurück und sie traten wieder in die Buchhandlung ein. Der Kuppitsch ist eines der wenigen Geschäfte, das nach dem Zweiten Weltkrieg restituiert wurden.

Mann mit Buchhändler-Gen

Heute gehört die Buchhandlung den zwei Töchtern der Familie Günther und ihren Nachkommen. Geschäftsleiter ist seit einigen Jahren Michael Kratochvil, der selbst aus einer Salzburger Buchhändlerfamilie kommt. Eigentlich, fällt ihm auf, ist der Buchhandel in Wien und ganz generell fest in weiblicher Hand. Da ist er als Mann zwischen den durchaus bekannten Wiener Buchhändler-Persönlichkeiten Anna Jeller, Rotraut Schöberl und Petra Hartlieb fast eine Ausnahme. Stören tut das den dreifachen Familienvater nicht.

Seit 16 Jahren werkt er für den Kuppitsch. Seither wurde die kleine Dependance im Jonas-Reindl aufgegeben (dort ist jetzt ein Sushi-Stand) – die Zweigstelle im Alten AKH gibt es noch -, der zweite Stock im Stammgeschäft ausgebaut, dort finden heute regelmäßig Veranstaltungen statt. Bis heute ist der Kuppitsch eine der wenigen Buchhandlungen, die ein vollwertiges CD-Sortiment und eine ziemlich gut sortierte Zeitschriftenecke haben. Dass der Kuppitsch einen Onlineshop hat und auch E-Books verkauft, ist für Kratochvil selbstverständlich. „Der Leser sollte entscheiden dürfen, wie er sein Buch lesen möchte, und auf die Beratung des Buchhändlers trotzdem nicht verzichten müssen. Auch wenn wir lieber ein Buch über den Ladentisch reichen, statt per E-Mail einen Download-Link verschicken.“ Kratochvil ist kein lauter Kämpfer gegen den globalen Konkurrenten Amazon, sondern sieht sich als sanfter Aufklärer.

Amazon schade auch dem Finanz- und Wirtschaftsstandort Österreich, weil das Unternehmen hier keine Steuern bezahle, keine Arbeitsplätze schaffe. Er glaubt, die Leser würden umdenken, wenn ihnen das bewusst werde. Zudem würden sie die Bücher über den Onlineshop jeder österreichischen Buchhandlung schneller bekommen als via Amazon, die ihre Bücher aus Deutschland schicken. Gerade während der soeben angelaufenen BuchWien und Lesefestwoche könne man das gar nicht oft genug wiederholen.