Wer ist wer beim Songcontest 2015?

In fünf Monaten ist Wien Gastgeber des Eurovision Song Contest. Ein Event dieser Größe muss genau geplant werden. Zeit für einen Überblick über die Verantwortlichen beim ORF und in der Stadt.

Porträts von Eva Winroither, Anna-Maria Wallner, Köksal Baltaci und Heide Rampetzreiter.

In weniger als sechs Monaten ist es so weit. Dann soll das größte TV- Unterhaltungsspektakel Europas in Wien stattfinden. Der ORF und Ko-Veranstalter European Broadcasting Union (EBU) stecken mitten in den Vorbereitungen. Am Küniglberg ist ein rund 30-köpfiges Führungsteam – von Regisseur Kurt Pongratz, der u. a. Conchita Wursts Siegerauftritt inszenierte, bis zum Legal Adviser – für die Organisation verantwortlich, in der Stadthalle sind es elf. Moderatoren, Redakteure und externe Berater sind da noch gar nicht mitgezählt. „Die Presse am Sonntag“ stellt einen Teil der Hauptverantwortlichen vor, von denen wir in den kommenden Monaten noch ziemlich oft hören werden.

Die Entscheidungsträger:

Der Songcontest-Sieg ist der vielleicht größte Triumph von Fernsehdirektorin Kathrin Zechner in ihrer aktuellen Amtszeit. Denn sie allein hat gegen internen Widerstand im Winter 2013/14 entschieden, Conchita Wurst ohne teure Vorausscheidung nach Kopenhagen zu schicken. Leicht hat sie es in letzter Zeit innerhalb der Direktorenrunde nicht gehabt. Dafür spenden andere Anerkennung, gerade hat ihr die Stadt Wien den Wiener Frauenpreis im Bereich „Medien und Management“ verliehen. ORF-Chef Alexander Wrabetz hatte zwar gemeinsam mit Finanzdirektor Richard Grasl die heikle Aufgabe zu entscheiden, wo der Songcontest stattfindet und wie viel Geld dafür aufzutreiben ist, dafür kann der Generaldirektor das Event ein Jahr vor der nächsten ORF-Generalswahl (2016) auch dafür nutzen, Werbung für sich zu machen. Schon bei der Begrüßungspressekonferenz von Wurst am Flughafen lächelte er mit der Siegerin vor den Kameras um die Wette.

Der Gastgeber:

Elf Mitarbeiter umfasst das ESC-Führungsteam in der Wiener Stadthalle. An erster Stelle steht der Lenkungsausschuss mit den beiden Geschäftsführern Kurt Gollowitzer und Wolfgang Fischer. Fischer war es auch, der bereits einen Tag nach dem Sieg von Conchita Wurst die Stadthalle als möglichen Veranstaltungsort ins Gespräch brachte. Nun müssen er und Gollowitzer die Entscheidungen absegnen, die von seinem Team (Projektleiterin ESC ist Magdalena Hankus, Zuhdija Begic koordiniert Aufbau und Infrastruktur in den sechs Hallen) vorbereitet wurden. Die Stadthalle als ESC-Location hat für den ORF übrigens so etwas wie einen Heimspielbonus. Mit dem ORF ist Geschäftsführer Fischer nämlich bestens vertraut, war er dort doch selbst 20 Jahre in unterschiedlichsten Positionen tätig. Zuerst als freier Mitarbeiter bei Radio Wien und „Wien heute“, danach als Pressesprecher für das Landesstudio Wien, zuletzt baute er die Public-Affairs-Abteilung des ORF auf. Wie der Küniglberg funktioniert, weiß er also ganz genau. Ohnehin gilt Fischer als bestens vernetzt. Zuletzt aufgetauchte Gerüchte um seine Ablöse als Geschäftsführer der Stadthalle haben sich in Luft aufgelöst. Fischer sitzt in der Stadthalle fester im Sattel denn je.

Die Anheizerin:

Die wenigsten erinnern sich an ihre holprigen Anfänge, als Mirjam Weichselbraun um den Jahrtausendwechsel beim regionalen Fernsehsender Tirol TV sichtlich nervös und ohne eine Miene zu verziehen vorgefertigte Nachrichtentexte vorlas. Angekündigt wurde sie stets als „unsere ganz liebe Kollegin“, am Ende ihres Auftritts durfte sie sich als einzige Moderatorin mit einem lässigen „Ciao“ verabschieden. Fast 15 Jahre und erfolgreiche Stationen bei MTV, ZDF und ORF später moderiert sie nun die Vorausscheidungsshows zum Songcontest 2015 (siehe Musik-Coaches).

Der Projektleiter:

Angeblich hat sich Kathrin Zechner ihren TV-Unterhaltungschef Edgar Böhm als Executive Producer und somit Gesamtleiter des Songcontests gewünscht. So laufen beim langjährigen ORF-Unterhaltungschef schon seit Wochen alle Fäden für das Event zusammen. Böhm berichtet Generaldirektor Wrabetz und den restlichen Direktoren.

Der Eventmanager:

Pius Strobl ist so etwas wie ein Flummi: Er kehrt immer wieder zum ORF zurück. 2010 räumte der frühere Grünen-Bundesgeschäftsführer seinen Platz als ORF-Pressesprecher nach einer Aufregung um eine von ihm angeordnete Journalistenabhöraktion. Alexander Wrabetz hat Strobl nun als externen Eventmanager und Mann für das Grobe in das Songcontest-Team geholt. Mit derzeit neun Mitarbeitern kümmert er sich um Side-Events, das Pressezentrum und die Betreuung der Delegationen aus den anderen Teilnehmerländern.

Der Chefproduzent:

Stefan Zechner ist einer der Songcontest-Spezialisten im ORF. Seit 16 Jahren ist der Showproduzent und Bruder von TV-Direktorin Kathrin Zechner im ORF tätig. Seit 2011 ist er ESC-Delegationsleiter. Diesen Job übernimmt diesmal Stefanie Groiss-Horowitz, was bedeutet, dass sie Österreichs Beitrag planen muss. Zechner ist stattdessen Chefproduzent der Songcontest-Shows. Technischer Produktionsleiter ist Claudio Bortoli.

Der Kommunikationschef:

Noch mehr mit dem Thema vertraut als Kollege Zechner ist nur Roman Horacek. Seit mittlerweile 15 Jahren ist er in der Pressestelle des ORF tätig und betreut dort in der Unterhaltungsabteilung so gut wie alle großen Shows. Seit 2005 war er Head of Press der österreichischen Songcontest-Delegation und ist auch privat ein glühender Fan des Singwettbewerbs. Es ist nur konsequent, dass er nun auch die Pressegeschicke beim Wiener ESC leitet.

Der Weisenrat:

Vielleicht wollte Kathrin Zechner eine ähnliche Blamage wie bei der Brasilien-WM verhindern, bei der Sambatänzerinnen im ORF-Sportstudio tanzten. Jedenfalls hat sich die Fernsehdirektorin ein kleines externes Beraterteam zur Seite geholt, das Ideen für die inhaltliche Gestaltung der Songcontest-Berichterstattung liefert. Darunter sind KHM-Chefin Sabine Haag, Künstler André Heller und die Regisseure Stefan Ruzowitzky und Elisabeth Scharang. Das Team trifft sich alle paar Wochen.

Die Musik-Coaches:

Obwohl Österreich als Gastgeberland fix beim Songcontest-Finale vertreten ist, wird der heimische Teilnehmer mit Bedacht und in der Vorauswahlshow „Wer singt für Österreich?“ ausgewählt (siehe Mirjam Weichselbraun). Dort werden den Jungmusikern vier Coaches zur Seite gestellt: Sängerin Anna F., von Wien nach Berlin ausgewandert, will „ein paar moderne Elemente“ in die Musik einbringen, wie sie bei der Aufzeichnung der ersten Show sagte. Die Deutschen Alec „Boss Burns“ Völkel und Sascha „Hoss Power“ Vollmer sollen wohl mit ihrer Band The Boss Hoss internationale Erfahrung beisteuern. Das Duo verfügt als „The Voice of Germany“-Juroren über reichlich Casting-Erfahrung. Der weiterhin in Wien ansässige Nazar, als Rapper einem dem Songcontest eher fernen Genre zugehörig, dürfte die Rolle des bösen, weil unverblümt ehrlichen Coaches spielen. Seine Kompetenzen sieht er in der Beurteilung der Texte. Auch im Umgang mit Medien können sich die Kandidaten von Nazar einiges abschauen, ist der Musiker doch immer für einen Sager gut. Für den ORF ist der auch in Deutschland erfolgreiche Wiener damit legitimer Nachfolger für den streitbaren Rapper Sido.

 

»Große Chance« für den Songcontest

Sprachtalent Alice Tumler und ESC-Profi Andi Knoll könnten das Finale moderieren. 

Von Eva Winroither und Anna-Maria Wallner

Noch ist es nicht bestätigt, doch intern soll es so gut wie fix sein. Wie „Die Presse“ aus ORF-Kreisen erfuhr, werden voraussichtlich Alice Tumler und Andi Knoll das Finale des 60. Eurovision Song Contest am 16. Mai in Wien moderieren. Die beiden sind ein eingespieltes Team, stehen sie doch schon seit 2013 bei der Freitagabendshow „Die große Chance“ gemeinsam vor der Kamera. Der ORF will die Moderatoren rund um den 15. Dezember bekannt geben und Spekulationen derzeit gar nicht kommentieren.

Vor allem die Wahl von Alice Tumler würde Sinn ergeben. Die 35-Jährige fiel bei der insgesamt eher missglückten ORF-Live-Übertragung des jüngsten Life Ball positiv auf. Bei den Backstage-Interviews brillierte sie dreisprachig, weil sie mühelos mit dem Designer und Conchita-Wurst-Fan Jean Paul Gaultier auf Französisch parlierte, mit dem Fotografen David LaChapelle auf Englisch. Auch wenn Tumler in Österreich erst durch die „Große Chance“ bekannt wurde, ist die gebürtige Innsbruckerin, die mit 19 zum Journalismus- und Soziologiestudium nach London zog, im TV-Geschäft ein alter Hase – vor allem bei der Moderation von Musik-Events. Die Mutter einer Dreijährigen, die hauptsächlich in Lyon lebt, startete ihre Karriere im französischen TV beim Musiksender Trace TV, moderierte später das größte panafrikanische Musik -Event sowie Musikfestivals und Liveshows für den deutsch-französischen Sender Arte, für den sie heute noch tätig ist.

Zwei Tiroler für den Songcontest. Dass sie mindestens vier Sprachen (neben den bereits erwähnten auch Italienisch) spricht, ist nicht die schlechteste Voraussetzung, um bei dem europäischen Wettbewerb zu reüssieren.

Auch die Besetzung von Andi Knoll (42) wäre logisch. Schließlich kommentiert der gebürtige Tiroler und Ö3-Mann die Songcontest-Übertragung im ORF seit mittlerweile 15 Jahren. Ein weiteres Indiz, das für sein Engagement sprechen würde, ist die Tatsache, dass man Knoll, der bis vor Kurzem u. a. abwechselnd mit Robert Kratky den Ö3-Wecker moderierte, neuerdings aus dem Radio weghaben will. Angeblich, weil man Platz für den Nachwuchs machen will (sein Nachfolger ist der 24-jährige Philip Hansa). Vielleicht aber auch nur, weil Knoll im neuen Jahr mehr Zeit für den Songcontest brauchen wird.