Phänomedial: Es fehlt der frische Wind auf Highclere Castle

Sechs Gründe, warum uns die fünfte Staffel von „Downton Abbey“ enttäuscht hat – und die eine Sache, die uns am Ende doch noch vertröstet zurückließ.

Ein bisschen viel hatte Julian Fellows, der Drehbuchautor und Regisseur der Adels-Serie „Downton Abbey“ für die fünfte Staffel versprochen. Den Butler Carson ließ er in der ersten Folge sagen: „I feel a shaking of the ground I stand on“ – und wir hatten uns schon gefreut, dass da ein bisschen frische Luft in die seit Staffel drei träge gewordene Serie und in die alten Gemäuer von Highclere Castle kommen würde. Upstairs wie Downstairs.

Nach der Weihnachtsfolge, die der britische Privatsender ITV seit 2010 traditionell am Christtag ausstrahlt, müssen wir aber sagen: Staffel fünf und vor allem die Christmas-Episode haben ziemlich enttäuscht. Die für Herbst 2015 angekündigte Staffel sechs muss da schon gehörig aufdrehen, damit wir selbiges wieder tun. Hier sind sechs Gründe, warum „Downton Abbey“ langweilig wird – und die eine Sache, die uns am Ende doch noch vertröstet hat.

1. Politik ist – immer noch – ein Nebenschauplatz

Wir kennen nun wirklich jede noch so kleine Eigenschaft und (fast) alle Geheimnisse der Bewohner von Downton Abbey sowie der Dienstboten unter der Treppe. Für ein paar ernste Themen zwischendurch oder Politik – wie in Staffel eins und zwei rund um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs – wäre also Sendeplatz genug. Nein, wir wollen kein „House of Cards“ aus der Serie machen, wir wissen schon, dass es in den Adelskreisen nur selten um Politik oder die Probleme der Gesellschaft ging und eher um Dinnerparties und Heiratspläne, aber kaum ein Wort zu politischen oder gesellschaftlichen Umschwüngen außer in der eingangs erwähnten Folge eins? Das finden wir dann doch ein wenig realitätsfremd. Schließlich befinden wir uns im Jahr 1924, aber abgesehen von den zarten Hinweisen auf das Erstarken der Sozialisten und der Wahl des ersten sozialistischen Premierministers Großbritanniens wird nicht viel politisiert.

2. Der Kriminalfall rund um Anna und John Bates ist noch immer nicht gelöst

Zuerst war es er, nun wird plötzlich die stets so brave Anna des Mordes an Alex Green, dem Kammerdiener von Lord Gillingham, verdächtigt. Und sie muss sogar für kurze Zeit hinter Gitter. Unsere Nerven aber liegen bei diesem Paar schon etwas blank, so viel Steine wie ihnen in den Weg gelegt werden. Nach dem Krimi um Bates Ex-Frau in den ersten beiden Staffeln haben wir nun wirklich genug von Alibis, Gefängnissen und Polizeiverhören. Die Kriminalfalldichte hätte der Regisseur etwas gerechter unter den Protagonisten aufteilen können.

3. Tom Branson ist immer noch da

Wir haben aufgehört zu zählen. Folge um Folge, Staffel um Staffel kündigte Tom Branson (gespielt von Allen Leech) seinen Abgang an. Als ehemaliger Chaffeur, der seit der Hochzeit mit der jüngsten Crawley-Tochter Sybil (die bei der Geburt des gemeinsamen Kindes in Staffel drei starb) „upstairs“ lebt, fühlt er sich immer noch nicht als vollwertiges Mitglied der Crawley-Familie. Also will er mit Tochter Sybbie ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, nach Amerika, auswandern. Am Ende der jüngsten Staffel macht er immer mehr Ernst damit. Wir glaubens erst, wenn er wirklich weg ist – und geben zu: er wird nicht nur Lord Grantham als umsichtigem Liegenschaftsverwalter fehlen. Im realen Leben ist er übrigens bestens befreundet mit Rob James-Collier, dem Darsteller des in der Serie so fies-grantigen Dieners Thomas Barrow. Schade fanden wir übrigens auch, dass Toms zarte Liebe zur Dorflehrerin Sarah Bunting auch auf Druck von Lord Grantham schon wieder aus war bevor sie überhaupt beginnen konnte. Einmal Chauffeur-Schlossbewohner-und-zurück. Das wärs doch gewesen. Oder kommt da noch was?

4. Lady Mary ist noch immer allein

Liebe wird überbewertet. So denkt nicht nur die Pointen-schleudernde Großmutter Dowager Countess of Grantham, grandios gespielt von Maggie Smith. Auch Lady Mary (Michelle Dockery) hat nach dem plötzlichen Tod von Ehemann Matthew (Dan Stevens) am Ende der dritten Staffel noch immer keinen passenden Nachfolger gefunden. Aus dem Duell zwischen den ebenso smarten wie hübschen Herren Lord Gillingham und Charles Blake stieg am Ende keiner der beiden als Sieger aus. Dabei hat sich Lady Mary sehr modern mit einem der beiden auf außerehelichen Sex eingelassen – was damals vermutlich gar nicht unüblich war, aber im britischen Aristokratie herrschte eben (wie in allen anderen Klassen noch mehr) immer die Gefahr, dass so ein Techtelmechtel auffliegt und der Ruf so richtig ruiniert wäre. Erst in der Weihnachtsfolge taucht zaghaft ein neuer Mann auf Marys Bildfläche auf. Wir vermuten: in Staffel sechs wird wieder geheiratet. Aber wieso dauert das so lange? Romantik mag überbewertet sein, aber sie ist das Salz dieser in die Jahre gekommenen Serie. Also, bitte wieder mehr davon.

5. Lord Grantham wird alt

Ein bisschen wunderlich und rückschrittlich war Pater famillias Lord Grantham (gespielt von Hugh Bonneville) eigentlich von Anfang an. Aber in den letzten beiden Staffeln wurde er noch konservativer und ja, alt. Zuletzt plagte ihn ein Magengeschwür, die harmlose Flirterei seiner Frau Cora mit dem kunstversierten Simon Bricker (gesoielt von Richard E. Grant) vertrug er gar nicht. Würde er sich nicht immer wieder von den Töchtern, seiner Frau oder seiner Mutter seine vorgefertigten Meinungen zu bestimmten Dingen ausreden lassen, wir hätten ihn längst zum Dolm der Serie ernannt. In Staffel fünf überrascht er allerdings im Umgang mit seiner bisher so stiefmütterlich behandelten Tochter Lady Edith und dem Kind, das sie adoptiert – und beweist: dieser Mann hat doch ein bisschen Gespür für Zwischentöne.

6. Sorry, Brits, aber die Amerikaner fehlten

In Staffel fünf kam kein einziger Besuch aus Übersee. Nicht der faule Bruder von Cora (Paul Giamatti), geschweige denn die Mutter Martha Levinson, grandios gespielt von Shirley MacLaine. Es gab überhaupt keinen Besuch und keinen Special Guest. Dabei hieß es irgendwann im Herbst, George Clooney würde in der Weihnachtsfolge einen amerikanischen Gast spielen. Das tat er dann aber nur in einem kleinen Sketch, den das Team für karitative Zwecke drehte. Uns fehlten die zänkischen Dialoge zwischen der britischen Dowager Countess und der amerikanischen Lady, die sich aufgrund ihrer Kulturunterschiede so gar nicht mögen.

– und die eine Sache, die uns am Ende doch noch schmunzeln ließ und mit Plot und Cast der lauwarmen Staffel fünf vertröstet hat: die soll hier, weil doch ohnehin schon so viel gespoilert wurde, nicht komplett verraten werden, weil sie erst so spät (als vorhersehbarer Cliffhanger für die nächste Staffel) am Ende der Weihnachtsfolge passiert. Nur so viel: manchmal braucht die Liebe sehr sehr lange bis sie sich entfalten kann. Vor allem unter der Treppe.