Serien im Wandel: 2015 gibt es Fernsehstoff für jeden Geschmack

MADAM SECRETARY

„Homeland“ trifft „House of Cards“: Téa Leoni spielt in der CBS-Serie „Madam Secretary“ die US-Außenministerin. / Bild: (c) CBS Entertainment 

Dass Serien auch anspruchsvolle Kunstform sein können, haben TV-Sender, Filmregisseure und sogar Autoren längst erkannt. Mittlerweile fällt es schwer, den Überblick über die besten Serien zu behalten. 2015 wird jedenfalls das Jahr der Fortsetzungen. Neue Produktionen suchen die Nische.

 (Die Presse am Sonntag)

Es gab eine Zeit, da war es verhältnismäßig einfach, den Überblick über hervorragende Serien zu behalten, die so gut oder sogar besser als Filme waren. Vor 15 Jahren begann diese Zeit, die bis heute als goldene Ära des Fernsehens bezeichnet wird – mit dem Start des Mafia-Familiendramas „Sopranos“. Preisgekrönte, hoch gelobte Serien konnte man lange an einer Hand abzählen. Die Drogenfahnder aus Baltimore in „The Wire“, die Bestattungsfamilie aus „Six Feet Under“ und der krebskranke Crystal-Meth-Dealer Walter White aus „Breaking Bad“ ebneten den Weg für eine neue Serienform.

Dass erfolgreiche Serien nicht immer Sitcoms sein, die Lacher nicht immer aus dem Off kommen müssen, wissen Drehbuchautoren, TV-Sender und Regisseure heute. Seit Mitte der 2000er-Jahre wuchs die Zahl der aufwendig gestalteten Serien rasant. Schauspielstars wie Claire Danes („Homeland“) und Kevin Spacey („House of Cards“) rissen und reißen sich um attraktive Hauptrollen. Und mancher Darsteller, der seine Karriere im Fernsehen begann und im Kinofilm-Genre weniger Erfolg hatte, kehrte zurück: Joshua Jackson, in den Neunzigern der scheue Pacey in „Dawsons‘ Creek“, spielt nun an der Seite von „The Wire“-Darsteller Dominic West im Seitensprung-Drama „The Affair“. Mit an Bord ist auch Maura Tierney, ein bekanntes Gesicht aus „Emergency Room“, der Mutter heutiger Arztserien.

Einiges hat sich gedreht: Heute machen Serien Stars, was man u.a. bei der Langzeitproduktion „Mad Men“ sehen kann, die 2015 mit Staffel sieben zu Ende geht. Hauptdarsteller wie Jon Hamm (spielt Werber Don Draper) und Christina Hendricks (Joan Harris) müssen sich danach keine Sorgen um neue Rollen machen. Ganz ähnlich funktioniert das für die Darsteller im Mittelalter-Fantasy-Epos „Game of Thrones“. Noch dazu, weil sie dort schnell wieder weg sind, wenn ihr Protagonist plötzlich zu Tode kommt.

Wurden bisher oft literarische Stoffe zu Serien gemacht („Game of Thrones“ basiert auf den Büchern von George R.R. Martin, das Kannibalistendrama „Hannibal“ auf dem Roman von Thomas Harris), hat der Literaturbetrieb umgekehrt begriffen, wie er am Erfolg mancher Serienhits mitnaschen kann. Neuerdings bewerben Verlage ihre Romane mit Slogans wie: „Für Fans von Homeland“ oder „Freunde von ,Game of Thrones‘ werden es lieben“.

Binge-Watching-Rekord. Während es also längst schick ist, gewissen Serien zu verfallen und den eigenen Binge-Watching-Rekord zu verkünden (wie viele Folgen einer Serie sehe ich am Stück?), unterzieht sich das Genre langsam einem Wandel: Serien werden jetzt beinah wie am Fließband produziert. Selbst erfahrene TV-Kritiker wie die „New Yorker“-Autorin Emily Nussbaum müssen bei den obligaten Jahresrück- und -vorschauen zugeben, dass sie nicht mehr alles sehen können, was auf den Markt kommt. Und natürlich muss man sagen: Längst ist nicht jede Serie beste Erzählkunst auf hohem Niveau. Die britische Adelsreihe „Downton Abbey“ bleibt trotz der feinen Kostüme und Maggie Smiths Pointen eine Soap-Opera. Wenn auch eine, die süchtig macht. Nussbaum empfiehlt übrigens, 2015 nicht „Downton“, sondern der US-Serie „Outlander“ eine Chance zu geben.

Der Ausblick auf 2015 zeigt vor allem: Das Serienjahr wird eines der Fortsetzungen. Allein im ersten Quartal kehren viele Hits für eine zweite, dritte, vierte usw. Staffel zurück: Heute startet in den USA die HBO-Serie „Girls“ mit und von Lena Dunham. Ende Februar geht der Netflix-Glücksgriff „House of Cards“ in Runde drei. Auch die Gefängnisserie „Orange Is The New Black“ und die Krimi-Groteske „Fargo“, beide Netflix, kommen wieder. Und die beste Serie aus 2014, die auf mehreren Zeitebenen erzählte Kriminalgeschichte „True Detective“ mit Woody Harrelson und Matthew McConaughey geht weiter. Hier wagt sich HBO mit einer sogenannten Anthologieserie sogar in ein neues Subgenre: Jede Staffel hat neue Protagonisten und eine neue Handlung. Das ist die aktuelle Königsdisziplin für Serienmacher, schließlich muss das Publikum in jeder Staffel neu gewonnen werden.

Was die Massenproduktion der Serien mit sich bringt, ist Diversität. Das Motto der TV-Sender lautet: Wir bieten für jeden etwas. Comicfiguren werden zum Leben erweckt, das Comedygenre boomt, Vampir- und Horrorproduktionen ebenso. Waren die Helden früher Serien vor allem Männer, gibt es mittlerweile eine lange Reihe von Serien mit Heldinnen. CBS warf im Herbst mit „Madam Secretary“ eine Art „House of Cards für Frauen“ auf den Markt. Hauptfigur Elizabeth McCord (gespielt von Téa Leoni) übernimmt als zweifache Mutter und College-Professorin das Amt der US-Außenministerin und muss sich mit geleakten diplomatischen Akten und der CIA herumschlagen, darf dabei aber viel freundlicher sein als Frank Underwood.

Zurück auf die Leinwand. Der Erfolg im Fernsehen macht erfinderisch: Vor dem Start der fünften „Game of Thrones“-Staffel werden die beiden letzten Folgen von Staffel vier in den USA in Imax-Kinos gezeigt. Damit will man bewusst einen Kontrapunkt zum Binge-Watching-Effekt setzen, der diese Serie erst populär gemacht hat. Besser eine Folge genussvoll auf der großen Leinwand ansehen als eine ganze Staffel daheim mit dem Laptop auf dem Schoss.

„Game of Thrones“ lässt sich übrigens wie „The Walking Dead“ als einer der letzten „Blockbuster“ dieser TV-Ära bezeichnen. Vieles, was 2015 neu herauskommt oder in Runde zwei geht, ist Stoff für die Nische, etwa das Transgenderdrama „Transparent“. Einiges glaubt man bereits zu kennen: Der Ende Jänner startende britische Arktis-Krimi „Fortitude“ (mit Stanley Tucci, Sofie Gråbøl) erinnert an das ebenso eiskalte „Fargo“. 2015 werden aber auch Experimente gewagt: „Cancer“ soll eine Art Biografie der Krankheit werden. Ungebrochen ist die Lust der Filmregisseure am Serienmachen: Martin Scorsese will nach „Boardwalk Empire“ (ging 2014 nach fünf Staffeln zu Ende) für HBO das Leben der Siebziger in New York beleuchten. Was dann doch wieder Potenzial hätte, ein Massenhit zu werden.

 

Aktuelle Serienstarts:

In den USA laufen demnächst folgende Fortsetzungen an: „Girls“ (heute, 11. 1.), „Portlandia“ (8. 1.), „The Walking Dead“ (8. 2.), „House of Cards“ (27. 2.), „Game of Thrones“ (Staffel vier ab 13. 1. auf RTL II, ab 12. 4. Staffel fünf in den USA).

Neu sind u. a.: „Twelve Monkeys“ (ab 16. 1.), „The Fall“ (ab 16. 1. mit „Axte X“-Star Gillian Anderson), das Arktis-Drama „Fortitude“ (ab 29. 1. auf Sky), „Better Call Saul“, „Cancer“ (30. 3.), eine Bio der Krankheit.

Neue Serien im ORF: „Die Vorstadtweiber“ (ab 12. 1. 20.15 h, ORF eins), David Schalkos „Altes Geld“ kommt voraussichtlich im Frühjahr auf DVD auf den Markt, erst im Herbst ins Fernsehen.