Das Dilemma des Frauenvolksbegehrens 2.0

Nie war die Zeit für eine Neuauflage des Frauenvolksbegehrens reifer als jetzt, aber bisher kam kein Schwung hinein. Unterstützen sollte man es dennoch.

Seit Montag wird gesammelt. Bis 13. März kann an jedem Gemeinde- und Bezirksamt des Landes, unabhängig vom Hauptwohnsitz, und elektronisch per Handy-Signatur eine Unterstützungserklärung für das neue Frauenvolksbegehren abgegeben werden. (Ab Donnerstag dann auch für das Rauchverbot.) Wenn ein Promille der österreichischen Bevölkerung unterzeichnet – zurzeit sind das 8401 Menschen –, kann die Einleitung des Volksbegehrens beantragt werden; danach setzt der Innenminister einen Eintragungszeitraum fest. Kommen dann 100.000 Unterschriften zusammen, muss das Thema im Parlament behandelt werden. So viel zu den spröden bürokratischen Einzelheiten.

Nur, bringt das alles etwas? Fest steht jetzt schon: Die erste Unterschriftenhürde werden die engagierten Initiatorinnen mit ziemlicher Sicherheit nehmen. Trotz der technischen Hürden, die es am ersten Unterzeichnungstag in vielen Gemeindeämtern gab. Somit wird es wohl spätestens Anfang Mai zum zweiten Mal in der Geschichte der Republik nach 1997 ein Frauenvolksbegehren geben.

Grund zum Jubeln ist das allein noch nicht. Denn irgendwie kam die Neuauflage des Frauenvolksbegehrens nie so richtig in die Gänge. Und das, obwohl der Startschuss der Kampagne vor einem Jahr beinah hellseherisch gut gewählt war. Wenige Wochen nachdem in den USA mit Donald Trump ein Präsident angelobt wurde, der damit prahlte, dass er Frauen, wenn sie ihm gefallen, auch „by the pussy“ berühre – weshalb weltweit Millionen Frauen aus Protest auf die Straße gingen. Und nur wenige Wochen bevor durch die globale #MeToo-Bewegung der Umgang von Männern und Frauen im Arbeitsleben, ausgehend von den sexuellen Übergriffen des Filmproduzenten Harvey Weinstein, zum Thema wurde und bis heute ist.

Soll heißen: Es gab vermutlich noch nie einen besseren Zeitpunkt als den jetzigen für ein weiteres Frauenvolksbegehren. Es ist längst Zeit, so lautet auch der Slogan der Initiatorinnen, Zeit für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen, Zeit für bessere, ganztägige Kinderbetreuung und mehr Frauen in Führungs- und Machtpositionen. Das ist unbestritten. Doch der Forderungskatalog des neuen Volksbegehrens schießt über ein für die Masse vertretbares Ziel hinaus. So weit, dass nicht nur die Bundesregierung, von der inhaltlich zuständigen Frauenministerin, Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), abwärts, ihre Unterstützung verweigerte. Sondern auch viele junge, liberale Frauen, was vor allem Vertreterinnen aus dem Umfeld der Neos formulierten. Übrigens eine Parallele zum ersten Frauenvolksbegehren 1997, das zwar von der Ex-SPÖ-Frauenministerin Johanna Dohnal unterstützt wurde, nicht aber von der rot-schwarzen Bundesregierung unter Bundeskanzler Viktor Klima. Wäre doch schön gewesen, wir wären 20 Jahre später weiter.

Aber mit diesem Forderungskatalog war das fast unmöglich. Die Kritik betrifft viele Punkte im Manifest des Volksbegehrens. Den einen geht die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche zu weit, anderen die verpflichtende Einführung einer 50-Prozent-Frauenquote in privaten Unternehmen. Sehr vielen missfällt das Anliegen von Gratis-Verhütungsmitteln und Abtreibung auf Krankenschein, manchen schon das Verbot der Verbreitung von Geschlechter-Stereotypen in Werbung und Schulbüchern.

Erste Bedenken an den teilweise extremen Forderungen wurden schon im Juni formuliert, als genug Geld für die Kampagne gesammelt worden war. Die Initiatorinnen hätten seither Zeit genug gehabt, Bedenken auszuräumen und eine breite Bewegung loszutreten, in der über das Für und Wider der einzelnen Forderungen diskutiert wird. Das ist nur leider nicht oder zu wenig passiert.

Dabei ist die Botschaft, die vermittelt werden muss, so einfach: Es gibt keine Alternative zur Grundforderung dieses Volksbegehrens, der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Das bedeutet gleiche Chancen für alle. Gleiches Recht auf Mitsprache und Sichtbarkeit von Frauen und Männern. Gleiches Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Das erreichen wir nur, wenn wir den Weg dorthin breit diskutieren und dafür dieses Volksbegehren unterstützen. Genau dazu ist ein Volksbegehren da. Oder?

Leitartikel, Die Presse, Print-Ausgabe 13. Februar 2018