Trump spaltet die Sitcom-Familie

Mit der zehnten Staffel landet „Roseanne“ in der Gegenwart und verhandelt subtil aktuell Themen. Eine gelungen Fernsehrückkehr nach 21 Jahren Pause.

Adam Rose/AP
Nach 21 Jahren wieder auf der Couch: Roseanne (Roseanne Barr) und Dan (John Goodman).

Einige Klassiker der TV-Unterhaltung sind in jüngster Zeit wiedergekom men, von „Full House“ und „Gilmore Girls“ bis zu

„Dallas“. Aber bei keiner dieser Serien, nicht einmal bei David Lynchs „Twin Peaks“, ist die Rückkehr so geglückt wie bei der Sitcom „Roseanne“. Dem Team um die heute 65-jährige Schauspielerin Roseanne Barr ist es gelungen, Farbe und Charakter der Serie zu bewahren und diese dennoch gekonnt ins heutige Amerika zu setzen.

Gleich geblieben ist zum Beispiel das legendäre Intro mit der jazzigen Saxofon-Melodie und Roseannes dreckigem Lacher am Schluss. Küche, Wohnzimmer und Garage der Conners sehen beinahe unverändert aus. Auf dem schmalen Fensterbrett über der Abwasch steht ein kleiner Plastik-Troll mit hellblauen, zu Berge stehenden Haaren. Ein Relikt aus den Neunziger Jahren, als diese seltsamen Figuren Einzug in die Kinderzimmer sehr junger Teenager hielten, eine Erinnerung auch an die Zeit, in der die Serie zu Ende ging. In neun Staffeln, von 1988 bis 1997, wurde der Alltag der Unterschichtfamilie Conner aus Lanford, Illinois erzählt. Der Ton zwischen Roseanne, ihrem Mann Dan (John Goodmann) und den vier Kindern Becky, Darlene, DJ und Jerry war zwar geprägt von einer neuen Rauheit im Unterhaltungsfernsehen, doch insgesamt waren die Conners noch liebevoller und damit glaubwürdiger als die Bundys aus der anderen, der „schrecklichen netten“ Sitcom-Familie.

Am Dienstagabend kehrten die Conners nach 21 Jahren Pause ins US-Fernsehen zurück – und Dan lebt wieder. Wir erinnern uns: Er war in der letzten Folge 1997 gestorben. Die ersten beiden neuen Folgen bescherten dem Sender ABC (in Europa gibt es bisher noch keinen Verleiher) 18,2 Millionen Zuseher. Darunter war auch der US-Präsident Donald Trump, der Roseanne Barr, so berichtet die „New York Times“, tags darauf persönlich zum gelungen Neustart gratuliert haben soll. Kein Wunder, dass ihm die Serie gefällt, er kommt darin vor, als Spalter der Familie. Roseanne hat Trump gewählt (in der Serie und im realen Leben) und beendet das Tischgebet mit den Worten: „Lord, thank you for making America great again“. Ihre Schwester Jackie (gespielt von Laurie Metcalf) hingegen verdreht bei solchen Gebeten die Augen. Sie geht als glühende Feministin mit rosa Strickmütze und „Nasty Woman“-Shirt auf die Straße, um gegen Trump zu demonstrieren. Seit der US-Wahl haben die Schwestern wegen ihrer politischen Differenzen kein Wort gesprochen, doch Tochter Darlene, die, arbeitslos und zweifache Mutter, wieder bei den Eltern eingezogen ist, bringt die Streit-Schwestern zurück an den gemeinsamen Küchentisch.

Fake News, Syrien, Leihmutterschaft 

In den Familiengesprächen, oder eher: Streitereien klingt viel Aktuelles an: Roseanne und Dan, Mitte 60, deutlich schlanker, aber nicht besonders fit, teilen sich aus Geldmangel ihre Medikamente. Sie haben Trump gewählt, weil er mehr Arbeitsplätze versprach. Als Jackie ihre Schwester fragt, ob sie die Nachrichten verfolge, „heute geht es uns noch schlechter“, antwortet Roseanne: „Aber nicht in den echten Nachrichten“, ein Hinweis auf Fake News und Trump-freundliche Medien wie Breitbart.

Sohn DJ ist Soldat, gerade aus Syrien zurückkehrt und kümmert sich um seine Tochter Mary, während seine Frau noch immer im Kriegseinsatz ist. Tochter Becky, die Erstgeborene der Conners, ist mittlerweile 43, hat keine Beziehung, aber Schulden und arbeitet als Kellnerin. Deshalb will sie ein Baby für eine Frau namens Andrea austragen, was deswegen lustig ist, weil diese Andrea von Sarah Chalke dargestellt wird, und die spielte in den Staffeln 6, 7 und 9 abwechselnd mit Alicia Goranson die Becky. Nestheckchen Jerry, den wir fast vergessen hatten, ist auf See und hat schon lange keinen Kontakt zur Familie. Besonders besorgt sind Oma und Opa Conner über den neunjährigen Enkel Mark, der gern Mädchenkleider trägt und sich schminkt. Roseanne begleitet ihn deswegen an seinem ersten Schultag in die neue Klasse und erzählte seinen Klassenkameraden, sie sei eine „weiße Hexe“.

Abseits von aktuellen Politik- und Zeitgeist-Bezügen wird, wie in den frühen Folgen, das (Macht-)Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und jetzt auch Enkeln analysiert. Was immer noch lustig sein kann. Wenn etwa Harris, Darlenes Teenager-Tochter, ihrer Oma und ihrer Mutter in der Küche ein dramatisches „Ihr ruiniert mein Leben!“ entgegen schleudert, lacht Großvater Dan am Küchentisch und sagt: „Diesen Film habe ich seit 20 Jahren nicht gesehen. Die Klassiker bleiben uns erhalten.“

 Die Presse, 30.3. 2018