Liebeskomödie: Burn-out? Haben jetzt alle!

Rezension. René Freund erzählt in „Liebe unter Fischen“ von einem erschöpften Dichter, der auf einer Berghütte allzu leicht wieder zu Lebens-, Liebes- und Schreibfreude findet.

Das Herz rast, und keiner weiß warum. Die Ärztin empfiehlt dem sensiblen Dichter drei Dinge: Psychotherapie, Meditation – und Ruhe. „Gehen Sie in die Stille. In eine Berghütte zum Beispiel“. Selten kam ein Burn-out-Syndrom so beiläufig und fast schon empörend harmlos daher wie in dem neuen Roman des Österreichers René Freund. 

Seine Hauptfigur, der Dichter Fred Firneis, steckt in einer Schaffenskrise. Er bunkert sich in seiner Berliner Wohnung ein, in der Spüle wachsen Pilze, im Wohnzimmer stapeln sich Pizzakartons, deren Inhalt er wahlweise mit Jack Daniels, Smirnoff oder Bordeaux hinunterspült. Es lebe das Burn-out-Klischee! Doch René Freund hält sich nicht lange mit Depression und Verzweiflung auf. Er lässt seinen Dichter kollabieren, und weil die Ärztin ihm ohnehin Stille rät und seine Verlegerin Susanne – oh Zufall! – eine kleine Hütte in den österreichischen Bergen geerbt hat, folgt er dem Rat. Die schwer verschuldete Verlegerin träumt derweil schon vom Nachschub in Versmaßen, der sich wie der letzte Lyrikband wieder 150.000-mal verkaufen lässt.

Des Dichters Burn-out wird später nur mehr an einer Stelle erwähnt (auf den Klappentext hat es der Begriff als werbewirksames Reizwort natürlich dennoch geschafft.) Dann nämlich, als der gar nicht mehr so erschöpfte Dichter dem Förster August erklärt, warum es ihn in die Berge verschlagen hat: „Ich hatte ein Burn-out.“ „Ein was?“ „Burn-out. Ausgebrannt.“ „Ach so, das“, sagt August. „Haben jetzt alle“, erwidert der Dichter. Damit ist alles gesagt.

Putzfimmel in der Berghütte

An einer wirklich schweren Erschöpfungsdepression kann der Dichter Fred gar nicht gelitten haben, so schnell wie der in der Bergluft wieder zu Kräften kommt. Zuerst überkommt ihn in der verstaubten Hütte seiner Verlegerin ein unerklärlicher Putzfimmel, der nicht nur das alte Holzhaus, sondern auch seine Seele im Nu wieder zum Glänzen bringt. Von Speck, Bauernbrot und den „Elbtaler Gewürzkräutern“, die er mit August raucht, erquickt, beginnt er seiner Verlegerin Briefe zu schreiben. Sein Handy hat er nämlich längst im nahen Elbsee versenkt.

Auf Glattauers Spuren

Der zweite Hinweis auf dem Klappentext, auf Daniel Glattauers E-Mail-Liebesroman „Gut gegen Nordwind“, verrät, was sich der Verlag von diesem Buch wünscht: einen ähnlichen Erfolg. Zufall oder nicht, dass Autor René Freund darin die Verlagswelt aufs Korn nimmt. Um ihren Dichter wieder zum Schreiben zu bewegen, nimmt die Verlegerin Susanne alles in Kauf.

In dem Bergidyll taucht plötzlich die geheimnisvolle Mara auf. Mit seltsamem Akzent (slowakisch?) und Doppel-s-Fehler stellt sie sich als „Gewäzzerwizzenschaftlerin“ vor, die das Fortpflanzungsverhalten der Elbsee-Fische Phoxinus phoxinus erforscht. Da wird über das Sexleben dieser Elbtaler Minipiranhas philosophiert – und schwupp, ist die Kreativität des Dichters zurück.

„Liebe unter Fischen“, das verrät der kurz angerissene Plot, ist eine simpel gestrickte, aber liebenswürdige Liebeskomödie. Dazu kommen ein Hauch sanfte Gegenwartskritik (die Smartphones, die mit ihren Menschen durch die Straßen laufen!), etwas Landlustidealisierung und eine Handvoll angedeuteter Identitätskrisen. Statt E-Mails werden hier altmodisch Briefe geschrieben, was nur deshalb nicht romantisch ist, weil sie an die Verlegerin, nicht die Herzensdamen adressiert sind. Aber erraten: Die Liebe setzt sich am Ende auch ohne elektronische Herzschmerzkorrespondenz durch. Der Titel im Frühjahrsprogramm wohl auch.

Neu erschienen

René Freund

„Liebe unter Fischen“, Deuticke, 206 Seiten, 18,40 Euro

 („Die Presse am Sonntag“, Print-Ausgabe, 10.02.2013)