Löschen oder liken

Die neuen Geschäftsbedingungen von Facebook verunsichern manche Nutzer. Dabei seien sie nicht neu, sagen Experten und geben Tipps, wie man mit der Datensammelei leben kann.

„Folgen, posten, hiden, hosten/ich muss ins Netz, bin am Verdursten/Ich muss Freunde filtern, Bild aus, Bild an/Ich muss Jesus liken, Learjets ordern.“ So singen die Krawallmacher der Hamburger Band Deichkind in ihrem neuen Lied „Like mich am Arsch“. Es ist eine spaßige Digitalkritik, die unser Verhalten in sozialen Netzwerken verblödelt. Aber selbst bei den humorig-intelligenten Texten von Deichkind kommt ein Aspekt der Social-Media-Nutzung gar nicht vor: nämlich das, was Unternehmen wie Facebook, Google und Co. hinter unserem Rücken mit unseren Daten machen.

Seit wenigen Tagen erntet Facebook vor allem in Europa wieder Kritik. Mit 1. Februar hat der Social-Media-Riese, der in Österreich mittlerweile mehr als 3,4 Millionen Nutzer hat, seine allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert. Ab sofort wertet Facebook auch die Daten seiner Nutzer von WhatsApp und Instagram aus und führt sie mit Ergebnissen von GPS-, Bluetooth-, Wifi- und Zahlungsvorgängen zusammen. So will es den Nutzern noch gezielter Werbung anbieten. Zwar hat Facebook diese Ausweitung seiner Datensammelaktivitäten angekündigt, doch das bedeutet nicht, dass die AGB auch Geltung haben. Wie schon bisher setzt sich das Silicon-Valley-Imperium von Marc Zuckerberg darüber hinweg und geht davon aus, dass jeder User den neuen AGB automatisch mit der Nutzung des Netzwerks zustimmt.

Digital Detox? Vergangene Woche listeten Foren und Blogs zahlreiche Ratschläge auf, wie man sich gegen den Datenzugriff von Facebook wehren kann. Doch fragt man bei Digitalexperten genauer nach, erklären sie einem: Machen könne man dagegen eigentlich nichts. Judith Denkmayr, Gründerin der auf Social Media spezialisierten Wiener Agentur Digital Affairs, sagt: „Wenn ich im Internet bin, muss ich davon ausgehen, dass ich beobachtet werde und Spuren hinterlasse.“ Die Aufregung um die AGB-Änderung von Facebook kann sie zwar nachvollziehen, doch gibt sie zu bedenken, dass sich die öffentliche Kritik stets auf die großen Unternehmen Google und Facebook konzentriert. Dabei werde außer Acht gelassen, dass so gut wie alle Internetunternehmen mittels Cookies und über andere Plattformen an Daten der Internetnutzer herankommen. „Facebook und Google sind zwar die großen Mächtigen, die unter besonderer Beobachtung stehen, aber andere Unternehmen machen es deswegen nicht weniger.“

Was also soll man tun, aussteigen oder radikales Digital-Detoxing betreiben? Judith Denkmayr hat einen anderen Zugang: „Wir müssen lernen, damit umzugehen.“ Denn auch, wenn es durchaus Sinn ergeben würde, nicht mehr mit dem Handy zu telefonieren, wenn man glaubt, dass das schädlich für das Gehirn ist, sei das einfach nicht praktikabel. Jeder Einzelne müsse sich selbst fragen, wie wichtig ihm Datensicherheit ist, wie viel Informationen er von sich preisgeben will. Es kann beispielsweise aufschlussreich sein, sich auf Facebook unter den Einstellungen eine Kopie der gespeicherten Daten zuschicken zu lassen. Allerdings gilt zu bedenken: Vieles, was dort gespeichert ist, ist überhaupt nicht relevant oder nützlich für Facebook. Und noch etwas sei vielen Nutzern nicht bewusst, sagt Denkmayr: „Es bringt mir auch nichts, wenn ich nicht meinen echten Namen angebe. Facebook ist mein Name nämlich egal, die Daten sind viel wichtiger.“

Nicht neu. Auch Max Schrems, der österreichische Jurist, der seit Jahren datenschutzrechtlich gegen Facebook vorgeht, versteht die Aufregung um die jüngste AGB-Änderung nicht recht. Dass Facebook auch Daten von Drittseiten auswertet, hat er bereits 2011 angezeigt. Zudem würde Facebook jedes halbe Jahr seine Geschäftsbedingungen ändern.

Auch er sagt, ähnlich wie Denkmayr: „Entweder man wird Einsiedler und benutzt das Internet nicht mehr, oder man lebt mit dem Bewusstsein, dass das eigene Tun gespeichert wird.“ Und er räumt mit einer weit verbreiteten Mär auf: Jeder Nutzer kann seine Einstellungen auf Facebook so programmieren, dass andere Menschen möglichst wenig von der eigenen Aktivität mitbekommen. Es habe auch Sinn, sich mit diesen Einstellungen genauer zu beschäftigen. Doch was den meisten nicht bewusst ist: „Auch wenn ich alle meine Aktivitäten nur für mich sichtbar mache, liest einer immer noch mit: Facebook!“ Man könne also verhindern, dass Freunde oder Fremde Postings lesen oder hochgeladene Fotos sehen können, ebenso kann man abstellen, Werbung zu sehen, „aber die Datensammelei von Facebook kann ich nie ausschalten.“ Ebenso unmöglich zu verhindern ist es, dass Facebook und andere Unternehmen über meine Freunde, also Dritte, Daten von mir sammeln. Denn die meisten Apps greifen mittlerweile auf die Kontakte der Smartphone-Nutzer zu. Wenn ich also in geschätzten 100 Adressbüchern von Bekannten und Freunden gespeichert bin, tauche ich in hunderten Apps auf.

Auch wenn es etwas abgeklärt wirkt, was die Digitalexperten proklamieren, sind Denkmayr und Schrems naturgemäß skeptisch gegenüber Facebook. Noch dazu, weil sich das börsenotierte Unternehmen gerade von einem sozialen Netzwerk zu einem allgemeinen IT-Anbieter wandelt, der vor allem eines will: noch mehr Geld verdienen. Die „New York Times“ beschrieb das Netzwerk mit einem laut bellenden Hund, der auf einen zurennt, von dem man aber nie genau sagen könne, ob er mit einem spielen oder einen fressen wolle. Für Denkmayr stellt sich die Frage, ob Facebook es sich wegen der ständigen AGB-Änderungen und Algorithmusspielereien „nicht irgendwann mit seinen Usern verscherzen wird“. Doch wie gesagt: All die anderen Internetriesen machen es nicht viel anders.

Credit: Clemens Fabry

(Presse am Sonntag, 8.2. 2015)

„Fortitude“: Mysteriöses Sterben in der Arktis

 

Fortitude

Bild: (c) Sky 

Der Bezahlsender Sky ließ sich sein neues Arktis-Drama „Fortitude“ Millionen kosten. Für die Mystery-Produktion wurde eigens Schnee an den Drehort in Island gebracht.

Für Schnee tut der britische Bezahlsender Sky einiges. Nicht nur bei der London-Premiere seiner neuen Serie „Fortitude“ wurden weiße Fake-Flocken angekarrt, um den Kinosaal in eine Winterlandschaft zu verwandeln. Schon bei den Dreharbeiten zur Serie im Vorjahr war der Sender aufgrund der milden Wetterlage in Island gezwungen, Schnee einfliegen zu lassen. Das hat „Fortitude“ angeblich zur teuersten Sky-Serie bisher gemacht. In britischen Medien war von Produktionskosten in Höhe von 34Millionen Euro zu lesen.

Ohne Schnee ließe sich die Geschichte von „Fortitude“ schlechter erzählen. Es ist das Porträt des gleichnamigen fiktiven Städtchens auf der Inselgruppe Spitzbergen im Arktischen Ozean. Die 700 Einwohner leben von der Naturfotografie, der (verbotenen) Eisbärenjagd, der Arktis-Forschung oder der Minenarbeit. Der Rest hält die Grundversorgung aufrecht, als Polizist, Arzt, Kellner oder Supermarktkassier. Eines Tages wird der britische Arktis-Forscher Professor Stoddart tot aufgefunden; er war einer der Gegner eines großen Eishotelprojekts. Hat ihn gar ein Eisbär in seiner Wohnung überrascht und getötet, oder war es doch ein Mensch?

 

„Fargo“ trifft auf „Twin Peaks“

Der lokale Polizeichef Andersen bekommt jedenfalls Verstärkung vom Festland – womit wir bei Grund zwei für die teure Produktion wären: die sehr prominente Besetzung. So wird der eingeflogene Detective arrogant-großstädtisch von US-Star Stanley Tucci („Hunger Games“) verkörpert. Die Rolle der Stadtchefin Hildur Odegard übernimmt Sofie Gråbøl, seit „Kommissarin Lund“ eine der bekanntesten dänischen Seriendarstellerinnen, die nun erstmals in einer britischen Produktion zu sehen ist. Bei der Premiere in London erzählte sie, sie stehe hier zum ersten Mal auf der anderen, der mächtigen Seite, auf jener der Entscheider. Zumindest zu Beginn sieht es so aus, als ob ihr diese Rolle weniger liegt als die der stillen Revoluzzer-Kommissarin. Vielleicht es ist es aber nur der langsame Einstieg von Drehbuchautor Simon Donald, der den Anfang so schleppend macht. Wir sehen sehr viel Eis und Schnee, viel Natur, häufig aus der Helikopterperspektive.

Nur behutsam nimmt die Handlung Fahrt auf, dafür umso geschickter. Geübte Serienschauer lockt man mit einer Vielzahl an mysteriösen Seitensträngen und Figuren. Also ist da etwa auch der kleine Bub, der mit seiner Spielkameradin ein undefinierbares Etwas im Eis findet und danach plötzlich schwer erkrankt. Der Partner seiner Mutter verlässt das Haus, um eine andere Frau zu treffen, und bemerkt daher nicht, dass der Bub im Fieberwahn barfuß durch den Schnee läuft und schwere Erfrierungen davonträgt. Welche Krankheit hat der Bub, und vor allem – was hat er im Eis entdeckt? Und wohin ist das Mädchen verschwunden, mit dem er draußen im Eis war?

Gekonnt spielt der Brite Christopher Eccleston (bekannt aus „Doctor Who“) den liebenswürdigen Professor Stoddart, der zwar in Folge eins stirbt, aber – ohne zu viel zu verraten – vermutlich weiterhin eine Rolle spielen wird. Bei der Premiere in London gaben alle Darsteller außer dem Amerikaner Tucci zu: Der Hauptgrund für ihre Zusage sei Schauspieler Michael Gambon gewesen. Jeder wollte mit dem britischen Theater-Sir zusammenarbeiten, der seit seinen Auftritten als Schulleiter Dumbledore in den „Harry Potter“-Filmen berühmt ist. Hier spielt er nun einen griesgrämigen, sterbenskranken Fotografen, der nichts mehr zu verlieren hat.

Was wie ein durchschnittlicher deutscher Hauptabendkrimi beginnt, entwickelt sich zu einer schräg-mysteriösen Geschichte, die Kritiker bereits zwischen „Twin Peaks“ und „Fargo“ einordnen. Dass der Schnee, wenn er erst einmal da ist, ein schwieriger Partner bei Dreharbeiten sein kann, ist leider unübersehbar: In einer Dialogszene zieren viele kleine Schneeflocken den Mantel von Stanley Tucci in der Vorderansicht – in der Rückenansicht ist der Mantel aber schneefrei. Da fehlt das Gespür für das Detail.

DIE SERIE

Nach der Horrorserie „Penny Dreadful“ und der Krimiproduktion „The Tunnel“ ist „Fortitude“ die nächste aufwendige hausgemachte Serie von Sky (Koproduzent ist US-Kabelsender Starz). Mit u.a. Sofie Gråbøl, Christopher Eccleston, Stanley Tucci. Die Originalversion ist ab heute, 27. 1., auf Sky Go, Sky Anytime, Sky Online abrufbar. Ab 3. 3. auf Deutsch.

Compliance-Hinweis: Die Autorin war auf Einladung von Sky bei der London-Premiere von „Fortitude“.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 29.01.2015)

Serien im Wandel: 2015 gibt es Fernsehstoff für jeden Geschmack

MADAM SECRETARY

„Homeland“ trifft „House of Cards“: Téa Leoni spielt in der CBS-Serie „Madam Secretary“ die US-Außenministerin. / Bild: (c) CBS Entertainment 

Dass Serien auch anspruchsvolle Kunstform sein können, haben TV-Sender, Filmregisseure und sogar Autoren längst erkannt. Mittlerweile fällt es schwer, den Überblick über die besten Serien zu behalten. 2015 wird jedenfalls das Jahr der Fortsetzungen. Neue Produktionen suchen die Nische.

 (Die Presse am Sonntag)

Es gab eine Zeit, da war es verhältnismäßig einfach, den Überblick über hervorragende Serien zu behalten, die so gut oder sogar besser als Filme waren. Vor 15 Jahren begann diese Zeit, die bis heute als goldene Ära des Fernsehens bezeichnet wird – mit dem Start des Mafia-Familiendramas „Sopranos“. Preisgekrönte, hoch gelobte Serien konnte man lange an einer Hand abzählen. Die Drogenfahnder aus Baltimore in „The Wire“, die Bestattungsfamilie aus „Six Feet Under“ und der krebskranke Crystal-Meth-Dealer Walter White aus „Breaking Bad“ ebneten den Weg für eine neue Serienform.

Dass erfolgreiche Serien nicht immer Sitcoms sein, die Lacher nicht immer aus dem Off kommen müssen, wissen Drehbuchautoren, TV-Sender und Regisseure heute. Seit Mitte der 2000er-Jahre wuchs die Zahl der aufwendig gestalteten Serien rasant. Schauspielstars wie Claire Danes („Homeland“) und Kevin Spacey („House of Cards“) rissen und reißen sich um attraktive Hauptrollen. Und mancher Darsteller, der seine Karriere im Fernsehen begann und im Kinofilm-Genre weniger Erfolg hatte, kehrte zurück: Joshua Jackson, in den Neunzigern der scheue Pacey in „Dawsons‘ Creek“, spielt nun an der Seite von „The Wire“-Darsteller Dominic West im Seitensprung-Drama „The Affair“. Mit an Bord ist auch Maura Tierney, ein bekanntes Gesicht aus „Emergency Room“, der Mutter heutiger Arztserien.

Einiges hat sich gedreht: Heute machen Serien Stars, was man u.a. bei der Langzeitproduktion „Mad Men“ sehen kann, die 2015 mit Staffel sieben zu Ende geht. Hauptdarsteller wie Jon Hamm (spielt Werber Don Draper) und Christina Hendricks (Joan Harris) müssen sich danach keine Sorgen um neue Rollen machen. Ganz ähnlich funktioniert das für die Darsteller im Mittelalter-Fantasy-Epos „Game of Thrones“. Noch dazu, weil sie dort schnell wieder weg sind, wenn ihr Protagonist plötzlich zu Tode kommt.

Wurden bisher oft literarische Stoffe zu Serien gemacht („Game of Thrones“ basiert auf den Büchern von George R.R. Martin, das Kannibalistendrama „Hannibal“ auf dem Roman von Thomas Harris), hat der Literaturbetrieb umgekehrt begriffen, wie er am Erfolg mancher Serienhits mitnaschen kann. Neuerdings bewerben Verlage ihre Romane mit Slogans wie: „Für Fans von Homeland“ oder „Freunde von ,Game of Thrones‘ werden es lieben“.

Binge-Watching-Rekord. Während es also längst schick ist, gewissen Serien zu verfallen und den eigenen Binge-Watching-Rekord zu verkünden (wie viele Folgen einer Serie sehe ich am Stück?), unterzieht sich das Genre langsam einem Wandel: Serien werden jetzt beinah wie am Fließband produziert. Selbst erfahrene TV-Kritiker wie die „New Yorker“-Autorin Emily Nussbaum müssen bei den obligaten Jahresrück- und -vorschauen zugeben, dass sie nicht mehr alles sehen können, was auf den Markt kommt. Und natürlich muss man sagen: Längst ist nicht jede Serie beste Erzählkunst auf hohem Niveau. Die britische Adelsreihe „Downton Abbey“ bleibt trotz der feinen Kostüme und Maggie Smiths Pointen eine Soap-Opera. Wenn auch eine, die süchtig macht. Nussbaum empfiehlt übrigens, 2015 nicht „Downton“, sondern der US-Serie „Outlander“ eine Chance zu geben.

Der Ausblick auf 2015 zeigt vor allem: Das Serienjahr wird eines der Fortsetzungen. Allein im ersten Quartal kehren viele Hits für eine zweite, dritte, vierte usw. Staffel zurück: Heute startet in den USA die HBO-Serie „Girls“ mit und von Lena Dunham. Ende Februar geht der Netflix-Glücksgriff „House of Cards“ in Runde drei. Auch die Gefängnisserie „Orange Is The New Black“ und die Krimi-Groteske „Fargo“, beide Netflix, kommen wieder. Und die beste Serie aus 2014, die auf mehreren Zeitebenen erzählte Kriminalgeschichte „True Detective“ mit Woody Harrelson und Matthew McConaughey geht weiter. Hier wagt sich HBO mit einer sogenannten Anthologieserie sogar in ein neues Subgenre: Jede Staffel hat neue Protagonisten und eine neue Handlung. Das ist die aktuelle Königsdisziplin für Serienmacher, schließlich muss das Publikum in jeder Staffel neu gewonnen werden.

Was die Massenproduktion der Serien mit sich bringt, ist Diversität. Das Motto der TV-Sender lautet: Wir bieten für jeden etwas. Comicfiguren werden zum Leben erweckt, das Comedygenre boomt, Vampir- und Horrorproduktionen ebenso. Waren die Helden früher Serien vor allem Männer, gibt es mittlerweile eine lange Reihe von Serien mit Heldinnen. CBS warf im Herbst mit „Madam Secretary“ eine Art „House of Cards für Frauen“ auf den Markt. Hauptfigur Elizabeth McCord (gespielt von Téa Leoni) übernimmt als zweifache Mutter und College-Professorin das Amt der US-Außenministerin und muss sich mit geleakten diplomatischen Akten und der CIA herumschlagen, darf dabei aber viel freundlicher sein als Frank Underwood.

Zurück auf die Leinwand. Der Erfolg im Fernsehen macht erfinderisch: Vor dem Start der fünften „Game of Thrones“-Staffel werden die beiden letzten Folgen von Staffel vier in den USA in Imax-Kinos gezeigt. Damit will man bewusst einen Kontrapunkt zum Binge-Watching-Effekt setzen, der diese Serie erst populär gemacht hat. Besser eine Folge genussvoll auf der großen Leinwand ansehen als eine ganze Staffel daheim mit dem Laptop auf dem Schoss.

„Game of Thrones“ lässt sich übrigens wie „The Walking Dead“ als einer der letzten „Blockbuster“ dieser TV-Ära bezeichnen. Vieles, was 2015 neu herauskommt oder in Runde zwei geht, ist Stoff für die Nische, etwa das Transgenderdrama „Transparent“. Einiges glaubt man bereits zu kennen: Der Ende Jänner startende britische Arktis-Krimi „Fortitude“ (mit Stanley Tucci, Sofie Gråbøl) erinnert an das ebenso eiskalte „Fargo“. 2015 werden aber auch Experimente gewagt: „Cancer“ soll eine Art Biografie der Krankheit werden. Ungebrochen ist die Lust der Filmregisseure am Serienmachen: Martin Scorsese will nach „Boardwalk Empire“ (ging 2014 nach fünf Staffeln zu Ende) für HBO das Leben der Siebziger in New York beleuchten. Was dann doch wieder Potenzial hätte, ein Massenhit zu werden.

 

Aktuelle Serienstarts:

In den USA laufen demnächst folgende Fortsetzungen an: „Girls“ (heute, 11. 1.), „Portlandia“ (8. 1.), „The Walking Dead“ (8. 2.), „House of Cards“ (27. 2.), „Game of Thrones“ (Staffel vier ab 13. 1. auf RTL II, ab 12. 4. Staffel fünf in den USA).

Neu sind u. a.: „Twelve Monkeys“ (ab 16. 1.), „The Fall“ (ab 16. 1. mit „Axte X“-Star Gillian Anderson), das Arktis-Drama „Fortitude“ (ab 29. 1. auf Sky), „Better Call Saul“, „Cancer“ (30. 3.), eine Bio der Krankheit.

Neue Serien im ORF: „Die Vorstadtweiber“ (ab 12. 1. 20.15 h, ORF eins), David Schalkos „Altes Geld“ kommt voraussichtlich im Frühjahr auf DVD auf den Markt, erst im Herbst ins Fernsehen.

Gute Reise, Kurt!

Seit April kämpfte Investigativjournalist Kurt Kuch nicht nur gegen seinen Lungenkrebs, sondern für einen strengeren Nichtraucherschutz. Den Kampf gegen den Krebs hat er nun mit 42 verloren, seine Initiative wird weiterleben.

Das Weihnachtsfest konnte er noch daheim mit seiner Familie im Südburgenland feiern. Aber er wusste, dass er nach den Feiertagen wieder ins Krankenhaus musste, für die nächste Runde im Kampf gegen seinen Krebs. Früher als geplant wurde Kurt Kuch kurz vor dem Jahreswechsel ins Spital eingeliefert – doch die Zuversicht behielt er bis zum Schluss. In seinem letzten Facebook-Eintrag am Silvestertag schrieb er: „Wir lassen uns das Feiern nicht nehmen, zumal der beste Teil unseres Lebens noch nicht vorbei ist!“

Kämpferisch gab sich Kurt Kuch ab Tag eins seiner Krebsdiagnose. Mit stechenden Rückenschmerzen und Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall begab er sich Anfang April ins Krankenhaus und wurde von der Diagnose Lungenkrebs überrascht. In Interviews erzählte er später, er habe damals begriffen, dass er nur mehr zwei, drei Wochen zu leben gehabt hätte, wenn man den Tumor nicht erkannt hätte. Der Schock saß tief, doch Kuch fasste Mut und entschloss sich, gegen den Krebs zu kämpfen und mit seiner Krankheit an die Öffentlichkeit zu gehen. Dem „Falter“ erklärte der Investigativjournalist wieso er das tat: „Ich kann nicht von allen absolute Transparenz einfordern, und wenn’s um mich selber geht, dann ist Schluss, dann zieh ich mich ins Schneckenhaus zurück.“

Fuck Cancer. Mit dem Hashtag #FuckCancer informierte er seine Freunde und Kollegen via Facebook und Twitter über die Fortschritte seiner Therapie. Und die gab es. Der Tumor wurde kleiner, im Sommer war Kuch sogar metastasenfrei. Mit seiner Frau und der gemeinsamen zwölfjährigen Tochter reiste er nach England und in die Karibik, genoss den ersten Sieg über die Krankheit. Aber nicht nur den engsten Freunden gegenüber, sondern auch in Interviews blieb er ehrlich. Der Tumor werde mit großer Wahrscheinlichkeit wieder kommen. Das war ihm bewusst.

Und er kam wieder. Der Kampf begann von vorne. In der Zwischenzeit hatte Kuch beschlossen, auch an anderer Front zu kämpfen. Er unterstützte die Initiative „Don’t smoke“, die sich für einen stärkeren Nichtraucherschutz in Österreich einsetzt. Und er hörte nicht auf, unter anderem in „News“, dem Magazin für das er fast 20 Jahre lang schrieb, darauf aufmerksam zu machen, dass er seine Krankheit vor allem seiner 25-jährigen Kettenraucherei zu verdanken hatte. Drei Packerl Marlboro hatte er jahrelang geraucht.

Kurt Kuch war ein Vollblutjournalist. Seine berufliche Laufbahn begann er Anfang der Neunzigerjahre als Aktivist der Oberwarter Antifa-Bewegung und beim OHO, dem offenen Haus Oberwart. Der „Falter“ bezeichnete ihn erst vor wenigen Tagen in einem Porträt als „eine Art Pressesprecher der Region“, der nach dem Rohrbombenattentat, bei dem vier Roma getötet wurden, unermüdlich im Einsatz war. Zuletzt schrieb er an einem Buch zum zwanzigsten Jahrestag der Anschläge im Jahr 2015. Seit 1996 schrieb er für das Wochenmagazin „News“ und deckte Skandale wie die Telekom-Affäre und die geheimen Briefkasten-Firmen des damaligen Raiffeisen-Bankers Herbert Stepic auf. Gerade erst wurde er vom Branchenmagazin „Journalist“ – wieder – zum Investigativjournalisten des Jahres gekürt.

Öffentlicher Abschied. Noch mehr Anerkennung erhielt er aber für seinen Kampf gegen die Krankheit und das Rauchen. Jeder Status-Update auf Facebook wurde tausendfach geliked, für jede Behandlung erhielt er persönlichen Zuspruch. Diese Anteilnahme habe ihm Kraft gegeben, „ein solcher Energieschub ist einfach unbezahlbar“, erzählte er der „Presse“ in einem Interview zu seinem 42. Geburtstag im August.

So öffentlich Kuch gegen seine Krankheit kämpfte, so öffentlich wurde auch sein Tod am Samstag. Hunderte Freunde und Wegbegleiter verabschiedeten sich tief betroffen auf seiner Facebook-Seite mit persönlichen Worten wie „Gute Reise, Kurt!“ oder „Mach’s gut, Kurt“. Sein Einsatz gegen das Rauchen steckte auch an, in jüngster Zeit beschlossen viele Freunde und Kollegen, das Rauchen aufzugeben; Restaurantbetreiber kündigten an, ihre Lokale zu Nichtraucherlokalen zu machen. Kurt Kuch hat seinen persönlichen Kampf in der Nacht auf Samstag verloren. Es sieht aber so aus, als würde die #FuckCancer-Kampagne weiterleben.
Mehr Infos: www.dontsmoke.at

Die Rückkehr der Arabella Kiesbauer

IMG_6864Eurovison Song Contest 15. Lang war sie die bekannteste Moderatorin des ORF, zuletzt ist es ruhiger um sie geworden. Nun kehrt sie im Frauentrio auf die große Bühne zurück.

Eine kleine Überraschung hat es also doch gegeben. Ei gentlich waren viele davon ausgegangen, das Moderatorenteam für den Eurovision Song Contest 2015 zu kennen. So oft waren zuletzt Alice Tumler, Mirjam Weichselbraun und Song-Contest-Siegerin Conchita Wurst genannt worden. Doch bei der Präsentation im ORF-Zentrum am Küniglberg am Freitag tauchte plötzlich ein vierter Name auf: Arabella Kiesbauer.

Sie stand im Vorfeld auf keiner Spekulationsliste. Vermutlich, weil die gebürtige Wienerin mit deutsch-ghanaischen Wurzeln nicht mehr für den ORF, sondern für die private Konkurrenz arbeitet. Doch für den aktuellen Arbeitgeber ATV, bei dem sie die Kuppelshow „Bauer sucht Frau“ moderiert, ist ihr ORF-Engagement kein Problem. Im Gegenteil, die Personalie lässt sich als logische Fortsetzung der jüngsten Annäherung zwischen dem großen Öffentlich-Rechtlichen und dem kleinen Privaten interpretieren. Gemeinsam bewarben sich die Sender um die Rechte an der Euro League 2015 (die dann an Puls4 und das Sportportal sportnet.at gingen), vor wenigen Wochen trat ATV aus dem VÖP aus, jener Vereinigung Österreichs Privatsender, die ein Gegengewicht zum staatlich subventionierten ORF bilden will. Und am Freitag lobte ATV-Chef Martin Gastinger die Bestellung Kiesbauers als „beste Wahl“ für den Song Contest. Aber auch für Kiesbauer persönlich ist das Engagement eine Chance, sich nach der Geburt ihrer Kinder (eine Tochter, ein Sohn) und Ausflügen ins Privatfernsehen wieder mehr an ihren ersten Arbeitgeber zu binden.

Die heute 45-Jährige war lang eine der prominentesten Moderatorinnen des Landes. Ihre Karriere begann sie Ende der Achtzigerjahre mit der Jugendsendung „X-Large“, fünf Jahre später hatte sie auf Pro7 ihren eigenen Nachmittags-Talk. Der brachte ihr zwar schnell große Bekanntheit ein, rückte sie aber auch in die Trash-Ecke.

Signal für Frauenpower

Beim ORF fiel die Wahl aus mehreren Gründen auf sie. Ihre internationale Herkunft steht einer Show, die weltweit 200 Millionen Menschen sehen, gut an. Dazu kommt die Tatsache, dass die ehemalige Lycée-Schülerin neben Englisch auch fließend Französisch und Spanisch spricht (wie Kollegin Tumler auch). Zudem war sie als Langzeitmoderatorin der ORF-Sing-Talentshow „Starmania“ bei den ersten Bühnenschritten von Tom Neuwirth alias Conchita Wurst dabei. Seit der von Franz Fuchs an sie adressierten Briefbombe, bei der ihre Assistentin verletzt wurde, gilt Kiesbauer außerdem als eine, die sich gegen Rassismus und für Zivilcourage einsetzt.

Und nun also die ganze große (öffentlich-rechtliche) Showbühne. An der Seite von Mirjam Weichselbraun und Alice Tumler. Die drei werden die Hauptmoderation der drei Shows (zwei Semifinale und das Finale am 23. Mai 2015) übernehmen. Im sogenannten Green Room hinter der Bühne, also dort, wo die Künstler aus allen Kandidatenländern Platz nehmen, wird Vorjahressiegerin Conchita Wurst moderieren. In den sozialen Netzwerken formulierten manche liebevoll und in Anlehnung an die US-Sitcom: „Three and a Half Women für den Song Contest“.

ORF-Fernseh-Direktorin Kathrin Zechner will mit der Women-only-Besetzung ein Signal setzen. Frauen seien heute wie gestern keine Bedrohung, sagte sie bei der Präsentation am Freitag. Und Weichselbraun ergänzte: Früher habe man immer geglaubt, es brauche einen Mann, der eine Show trägt. Bisher haben schon immer wieder Frauen allein den Song Contest moderiert, aber noch nie waren es drei.

In der Öffentlichkeit wurde die Tripelbesetzung am Freitag nicht nur positiv aufgenommen. In den sozialen Netzwerken taten sie manche als langweilig und vorhersehbar ab. Auch wenn es Applaus für die Entscheidung gab, nur Frauen moderieren zu lassen, fragten sich einige, warum der Song-Contest-Kommentator Andi Knoll vergessen wurde. Im ORF versicherte man, es werde noch viele andere Rollen bei diesem Event geben, die es noch zu besetzen gilt. Die Namen werde man im neuen Jahr bekannt geben.

„Die Presse“, Print am 20.12.2014. Credit: Wallner

Wer ist wer beim Songcontest 2015?

In fünf Monaten ist Wien Gastgeber des Eurovision Song Contest. Ein Event dieser Größe muss genau geplant werden. Zeit für einen Überblick über die Verantwortlichen beim ORF und in der Stadt.

Porträts von Eva Winroither, Anna-Maria Wallner, Köksal Baltaci und Heide Rampetzreiter.

In weniger als sechs Monaten ist es so weit. Dann soll das größte TV- Unterhaltungsspektakel Europas in Wien stattfinden. Der ORF und Ko-Veranstalter European Broadcasting Union (EBU) stecken mitten in den Vorbereitungen. Am Küniglberg ist ein rund 30-köpfiges Führungsteam – von Regisseur Kurt Pongratz, der u. a. Conchita Wursts Siegerauftritt inszenierte, bis zum Legal Adviser – für die Organisation verantwortlich, in der Stadthalle sind es elf. Moderatoren, Redakteure und externe Berater sind da noch gar nicht mitgezählt. „Die Presse am Sonntag“ stellt einen Teil der Hauptverantwortlichen vor, von denen wir in den kommenden Monaten noch ziemlich oft hören werden.

Die Entscheidungsträger:

Der Songcontest-Sieg ist der vielleicht größte Triumph von Fernsehdirektorin Kathrin Zechner in ihrer aktuellen Amtszeit. Denn sie allein hat gegen internen Widerstand im Winter 2013/14 entschieden, Conchita Wurst ohne teure Vorausscheidung nach Kopenhagen zu schicken. Leicht hat sie es in letzter Zeit innerhalb der Direktorenrunde nicht gehabt. Dafür spenden andere Anerkennung, gerade hat ihr die Stadt Wien den Wiener Frauenpreis im Bereich „Medien und Management“ verliehen. ORF-Chef Alexander Wrabetz hatte zwar gemeinsam mit Finanzdirektor Richard Grasl die heikle Aufgabe zu entscheiden, wo der Songcontest stattfindet und wie viel Geld dafür aufzutreiben ist, dafür kann der Generaldirektor das Event ein Jahr vor der nächsten ORF-Generalswahl (2016) auch dafür nutzen, Werbung für sich zu machen. Schon bei der Begrüßungspressekonferenz von Wurst am Flughafen lächelte er mit der Siegerin vor den Kameras um die Wette.

Der Gastgeber:

Elf Mitarbeiter umfasst das ESC-Führungsteam in der Wiener Stadthalle. An erster Stelle steht der Lenkungsausschuss mit den beiden Geschäftsführern Kurt Gollowitzer und Wolfgang Fischer. Fischer war es auch, der bereits einen Tag nach dem Sieg von Conchita Wurst die Stadthalle als möglichen Veranstaltungsort ins Gespräch brachte. Nun müssen er und Gollowitzer die Entscheidungen absegnen, die von seinem Team (Projektleiterin ESC ist Magdalena Hankus, Zuhdija Begic koordiniert Aufbau und Infrastruktur in den sechs Hallen) vorbereitet wurden. Die Stadthalle als ESC-Location hat für den ORF übrigens so etwas wie einen Heimspielbonus. Mit dem ORF ist Geschäftsführer Fischer nämlich bestens vertraut, war er dort doch selbst 20 Jahre in unterschiedlichsten Positionen tätig. Zuerst als freier Mitarbeiter bei Radio Wien und „Wien heute“, danach als Pressesprecher für das Landesstudio Wien, zuletzt baute er die Public-Affairs-Abteilung des ORF auf. Wie der Küniglberg funktioniert, weiß er also ganz genau. Ohnehin gilt Fischer als bestens vernetzt. Zuletzt aufgetauchte Gerüchte um seine Ablöse als Geschäftsführer der Stadthalle haben sich in Luft aufgelöst. Fischer sitzt in der Stadthalle fester im Sattel denn je.

Die Anheizerin:

Die wenigsten erinnern sich an ihre holprigen Anfänge, als Mirjam Weichselbraun um den Jahrtausendwechsel beim regionalen Fernsehsender Tirol TV sichtlich nervös und ohne eine Miene zu verziehen vorgefertigte Nachrichtentexte vorlas. Angekündigt wurde sie stets als „unsere ganz liebe Kollegin“, am Ende ihres Auftritts durfte sie sich als einzige Moderatorin mit einem lässigen „Ciao“ verabschieden. Fast 15 Jahre und erfolgreiche Stationen bei MTV, ZDF und ORF später moderiert sie nun die Vorausscheidungsshows zum Songcontest 2015 (siehe Musik-Coaches).

Der Projektleiter:

Angeblich hat sich Kathrin Zechner ihren TV-Unterhaltungschef Edgar Böhm als Executive Producer und somit Gesamtleiter des Songcontests gewünscht. So laufen beim langjährigen ORF-Unterhaltungschef schon seit Wochen alle Fäden für das Event zusammen. Böhm berichtet Generaldirektor Wrabetz und den restlichen Direktoren.

Der Eventmanager:

Pius Strobl ist so etwas wie ein Flummi: Er kehrt immer wieder zum ORF zurück. 2010 räumte der frühere Grünen-Bundesgeschäftsführer seinen Platz als ORF-Pressesprecher nach einer Aufregung um eine von ihm angeordnete Journalistenabhöraktion. Alexander Wrabetz hat Strobl nun als externen Eventmanager und Mann für das Grobe in das Songcontest-Team geholt. Mit derzeit neun Mitarbeitern kümmert er sich um Side-Events, das Pressezentrum und die Betreuung der Delegationen aus den anderen Teilnehmerländern.

Der Chefproduzent:

Stefan Zechner ist einer der Songcontest-Spezialisten im ORF. Seit 16 Jahren ist der Showproduzent und Bruder von TV-Direktorin Kathrin Zechner im ORF tätig. Seit 2011 ist er ESC-Delegationsleiter. Diesen Job übernimmt diesmal Stefanie Groiss-Horowitz, was bedeutet, dass sie Österreichs Beitrag planen muss. Zechner ist stattdessen Chefproduzent der Songcontest-Shows. Technischer Produktionsleiter ist Claudio Bortoli.

Der Kommunikationschef:

Noch mehr mit dem Thema vertraut als Kollege Zechner ist nur Roman Horacek. Seit mittlerweile 15 Jahren ist er in der Pressestelle des ORF tätig und betreut dort in der Unterhaltungsabteilung so gut wie alle großen Shows. Seit 2005 war er Head of Press der österreichischen Songcontest-Delegation und ist auch privat ein glühender Fan des Singwettbewerbs. Es ist nur konsequent, dass er nun auch die Pressegeschicke beim Wiener ESC leitet.

Der Weisenrat:

Vielleicht wollte Kathrin Zechner eine ähnliche Blamage wie bei der Brasilien-WM verhindern, bei der Sambatänzerinnen im ORF-Sportstudio tanzten. Jedenfalls hat sich die Fernsehdirektorin ein kleines externes Beraterteam zur Seite geholt, das Ideen für die inhaltliche Gestaltung der Songcontest-Berichterstattung liefert. Darunter sind KHM-Chefin Sabine Haag, Künstler André Heller und die Regisseure Stefan Ruzowitzky und Elisabeth Scharang. Das Team trifft sich alle paar Wochen.

Die Musik-Coaches:

Obwohl Österreich als Gastgeberland fix beim Songcontest-Finale vertreten ist, wird der heimische Teilnehmer mit Bedacht und in der Vorauswahlshow „Wer singt für Österreich?“ ausgewählt (siehe Mirjam Weichselbraun). Dort werden den Jungmusikern vier Coaches zur Seite gestellt: Sängerin Anna F., von Wien nach Berlin ausgewandert, will „ein paar moderne Elemente“ in die Musik einbringen, wie sie bei der Aufzeichnung der ersten Show sagte. Die Deutschen Alec „Boss Burns“ Völkel und Sascha „Hoss Power“ Vollmer sollen wohl mit ihrer Band The Boss Hoss internationale Erfahrung beisteuern. Das Duo verfügt als „The Voice of Germany“-Juroren über reichlich Casting-Erfahrung. Der weiterhin in Wien ansässige Nazar, als Rapper einem dem Songcontest eher fernen Genre zugehörig, dürfte die Rolle des bösen, weil unverblümt ehrlichen Coaches spielen. Seine Kompetenzen sieht er in der Beurteilung der Texte. Auch im Umgang mit Medien können sich die Kandidaten von Nazar einiges abschauen, ist der Musiker doch immer für einen Sager gut. Für den ORF ist der auch in Deutschland erfolgreiche Wiener damit legitimer Nachfolger für den streitbaren Rapper Sido.

 

»Große Chance« für den Songcontest

Sprachtalent Alice Tumler und ESC-Profi Andi Knoll könnten das Finale moderieren. 

Von Eva Winroither und Anna-Maria Wallner

Noch ist es nicht bestätigt, doch intern soll es so gut wie fix sein. Wie „Die Presse“ aus ORF-Kreisen erfuhr, werden voraussichtlich Alice Tumler und Andi Knoll das Finale des 60. Eurovision Song Contest am 16. Mai in Wien moderieren. Die beiden sind ein eingespieltes Team, stehen sie doch schon seit 2013 bei der Freitagabendshow „Die große Chance“ gemeinsam vor der Kamera. Der ORF will die Moderatoren rund um den 15. Dezember bekannt geben und Spekulationen derzeit gar nicht kommentieren.

Vor allem die Wahl von Alice Tumler würde Sinn ergeben. Die 35-Jährige fiel bei der insgesamt eher missglückten ORF-Live-Übertragung des jüngsten Life Ball positiv auf. Bei den Backstage-Interviews brillierte sie dreisprachig, weil sie mühelos mit dem Designer und Conchita-Wurst-Fan Jean Paul Gaultier auf Französisch parlierte, mit dem Fotografen David LaChapelle auf Englisch. Auch wenn Tumler in Österreich erst durch die „Große Chance“ bekannt wurde, ist die gebürtige Innsbruckerin, die mit 19 zum Journalismus- und Soziologiestudium nach London zog, im TV-Geschäft ein alter Hase – vor allem bei der Moderation von Musik-Events. Die Mutter einer Dreijährigen, die hauptsächlich in Lyon lebt, startete ihre Karriere im französischen TV beim Musiksender Trace TV, moderierte später das größte panafrikanische Musik -Event sowie Musikfestivals und Liveshows für den deutsch-französischen Sender Arte, für den sie heute noch tätig ist.

Zwei Tiroler für den Songcontest. Dass sie mindestens vier Sprachen (neben den bereits erwähnten auch Italienisch) spricht, ist nicht die schlechteste Voraussetzung, um bei dem europäischen Wettbewerb zu reüssieren.

Auch die Besetzung von Andi Knoll (42) wäre logisch. Schließlich kommentiert der gebürtige Tiroler und Ö3-Mann die Songcontest-Übertragung im ORF seit mittlerweile 15 Jahren. Ein weiteres Indiz, das für sein Engagement sprechen würde, ist die Tatsache, dass man Knoll, der bis vor Kurzem u. a. abwechselnd mit Robert Kratky den Ö3-Wecker moderierte, neuerdings aus dem Radio weghaben will. Angeblich, weil man Platz für den Nachwuchs machen will (sein Nachfolger ist der 24-jährige Philip Hansa). Vielleicht aber auch nur, weil Knoll im neuen Jahr mehr Zeit für den Songcontest brauchen wird.

Amazon Prime: Serien mit Hindernissen

Das Aboservice Amazon Prime funktioniert in Österreich nur teilweise. Doch der US-Riese bastelt längst an einer eigenen Streaming-Plattform.

Seit Kurzem ist auch in Österreich das Aboversandservice des US-Onlinehändlers Amazon erhältlich. Doch auch wenn dabei das Video-On-Demand-Service „Prime Instant Video“ erhältlich wird, durch das unter anderem die relativ neue Amazon-eigene Serie „Transparent“ hierzulande kostenlos abrufbar wird, bietet das Service derzeit noch mehr Ärgernisse als zufriedenstellende Inhalte. Denn nur ein kleiner Teil des vollständigen Angebots ist in Österreich auch wirklich erhältlich. Eigentlich wirbt Amazon damit, dass mit dem Prime-Abo mehr als 12.000 Filme und Serien gratis abrufbar seien, zudem seien Gratis-Expresslieferung innerhalb von zwei Tagen und ein kostenloser Zugang zu einer E-Book-Bibliothek inkludiert. Doch in Österreich sind viele der angebotenen Filme nicht gratis abrufbar, sondern erst recht wieder extra zu bezahlen, und der Expressversand ist gar nicht möglich. Trotzdem verlangt Amazon den vollen Abopreis von 49Euro von seinen Kunden.

Probeabo rechtzeitig kündigen. Für Konsumentenschützer ist das problematisch, wie die Techseite Futurezone in Erfahrung gebracht hat. Es sei nicht in Ordnung, etwas zu bewerben und dann zwei Drittel des Angebots zu streichen, sagte Reinhold Schranz vom Europäischen Verbraucherzentrum der Futurezone. So ist es ziemlich wahrscheinlich, dass viele heimische Kunden den Dienst kündigen werden, bevor das kostenlose Probemonat verstrichen ist. Doch Achtung: Das Probeabo verlängert sich automatisch. Es gilt also, genau darauf zu achten, wann es endet.

Der Neueinsteiger im Video-On-Demand-Markt dürfte also alles andere als eine große Konkurrenz für Mitbewerber wie das deutschsprachige Maxdome oder das US-amerikanische Netflix sein, das seit Mitte September in Österreich erhältlich ist. Auch wenn Amazon Prime Instant Video einige Serien wie die erste Staffel der Kultproduktion „Twin Peaks“ (die 2016 mit neuen Folgen zurückkehren soll) und die ersten Staffeln von „Mad Men“ anbietet, sind viele Angebote wie „Game of Thrones“ kostenpflichtig. Ein weiteres Manko: Viele Serien des Amazon-Instant-Videoangebots werden nur in der deutschen Synchronfassung angeboten. Für wahre Serienfans ist das keine zufriedenstellende Option.

Während Amazon sein Prime-Angebot mit gröberen Problemen in den Markt gebracht hat, feilt der US-Konzern von Jeff Bezos bereits an der nächsten Digitaloffensive. Wie die „New York Post“ kürzlich berichtet hat, plant das Unternehmen, Anfang 2015 einen eigenen Streamingdienst zu eröffnen. Noch steht weder fest, ob der Dienst getrennt von dem kostenpflichtigen Amazon Prime angeboten oder mit der Videosparte dieses Diensts fusioniert werden soll. Amazon wollte den Bericht nicht kommentieren.

Marktbeobachter haben zudem das Gefühl, dass sich Jeff Bezos, der 2013 die „Washington Post“ übernommen hat, mit seinen unterschiedlichen Digitalangeboten gerade übernimmt und an zu vielen Fronten – etwa beim Arbeitsrecht mit deutschen Mitarbeitern – kämpft. Mit dem aktuellen Prime-Angebot macht er sich in Österreich sicher nicht besonders viele Freunde.

Deutschlands Frau der Liste

Die Bloggerin Juliane Leopold leitet seit Kurzem den deutschen Ableger von Buzzfeed in Berlin. Ein Gespräch.

Die einen haben ihre Erfahrungen gemacht und ziehen wieder ab, die anderen kommen erst jetzt. Vergangene Woche gab der US-Verlag Dow Jones & Company bekannt, seinen Online-Ableger Wall Street Journal Germany mit Jahresende einzustellen. Nach fast drei Jahren auf dem Markt – Start war im Jänner 2012 – wird das Bezahlportal für Wirtschaftsnachrichten zugesperrt. Die türkische Edition gleich mit dazu. Die Zugriffszahlen von unter einer Million Visits im Monat entsprachen nicht den Erwartungen. Die deutschsprachige Konkurrenz von „Handelsblatt“, „Manager Magazin“ und „Wirtschaftswoche“ war mit bis zu 18 Millionen Visits pro Monat nicht einholbar. Traurig und geknickt sind die WSJ-Deutschland- Redakteure, die für ihre Arbeit sehr gelobt wurden. Die Aufmunterung ihrer Kollegen auf Twitter tröstet nur bedingt.

Feministischer Blog

Juliane Leopold lässt sich von solchen Nachrichten nicht unterkriegen. Sie leitet seit dem Sommer den deutschen Ableger der US-Webseite Buzzfeed. Gründer Jonah Peretti wurde mit der Idee, verschiedene Themen anhand von Listen zu erklären, erfolgreich – und drängt nun in nicht englischsprachige Märkte (derzeit arbeiten 600 Mitarbeiter in acht Ländern). Die 31-jährige Leopold ist nicht unbekannt in der Digitalszene. Sie war Social-Media-Redakteurin bei „Die Zeit“ und führt u. a. mit „#Aufschrei“-Initiatorin Anne Wizorek den feministischen Blog Kleinerdrei.org.

In ihrem Büro, das sich standesgemäß für die Mediendigitalszene in Berlin-Mitte befindet, hallt es noch, weil so frisch bezogen und leer. Gemeinsam mit vier Mitarbeitern betreut Leopold den Buzzfeed-Ableger und erstellt Artikel und Fotostorys wie „21 Sätze, die jeder Serienjunkie kennt“ oder „Diese Sätze wollen wir in Deutschland nicht mehr hören“. Im Unterschied zur vor einem Jahr gestarteten Deutschland-Ausgabe der Huffington Post erscheinen auf Buzzfeed Deutschland auch Texte auf Englisch. „Weil unser Publikum Englisch lesen und schreiben kann“, sagt Leopold. Zielgruppe sind junge, gut ausgebildete, auslandserfahrene und Social-Media-affine Menschen, die schon bisher gern die englische Ausgabe von Buzzfeed gelesen haben. Dennoch komme 70 bis 80 Prozent des Inhalts bereits aus Deutschland. „Mittelfristig sollen das 100 Prozent sein.“ Doch von der Mutterseite lässt man sich natürlich gern helfen, während der Midterm Elections in den USA etwa gab man über Nacht „einfach weiter an unsere Kollegen und ihre Wahlberichterstattung“.

Wie viele Klicks sie in welchem Zeitraum bringen muss, verrät Leopold nicht. Sie sei aber für sich gescheitert, „wenn wir keine neuen Ideen für Posts haben“. Auch auf Fragen zur Konkurrenz wie HuffPo oder der deutschen Seite Heftig.co antwortet sie ausweichend. „Wir sind einmalig“, sagt sie, „wir bieten Informationen und Unterhaltung für Menschen, die schon sehr viel lesen. Es geht darum, dass sie sich gemeint fühlen.“ Der Unterschied zu anderen Seiten sei: „Bei einer Buzzfeed-Überschrift wissen Sie zu hundert Prozent, was sie erwartet.“

(© Buzzfeed)

„Die Detektive“: Ein Krimi, der kein Krimi sein soll

Fernsehen. In der neuen ORF-Serie spielen Johannes Zirner und Serkan Kaya gegensätzliche Halbbrüder, die als Privatdetektive ermitteln.

Wer demnächst am Mittwoch in den ORF-Hauptabend und die neue Produktion „Die Detektive“ hineinzappt, könnte ein paar Minuten brauchen zu begreifen, welche Serie gerade läuft. Denn die „Soko Kitzbühel“-Ermittlerin Kristina Sprenger taucht da ebenso auf wie Katharina Straßer, die Kriminalassistentin aus „Schnell ermittelt“ – und Wolf Bachofner, bisher bekannt als ewiger Zweiter im Kommissariat von „Rex“ und „Schnell ermittelt“, spielt diesmal zur Abwechslung den Chef in der Polizei.

Aus der Reihe der bekannten Gesichter, die hier Gast- und Nebenrollen haben (Lukas Resetarits als sympathischer Boxklub-Besitzer), ragen allerdings zwei noch recht unbekannte Schauspieler hervor. Die Haupt darsteller Johannes Zirner, Sohn des österreichischen Schauspielers August Zirner, und der deutsche Musicaldarsteller Serkan Kaya spielen zum ersten Mal in einer Serie mit. „Sofort“ hätten sie sich in das Drehbuch verliebt, verrieten die beiden unisono bei einem Interviewtermin in Wien. Dabei ist dieses streckenweise sehr voraussehbar: Johannes Zirner gibt den zwanghaft korrekten, beinah Monk-haften Ordnungsfanatiker Felix, von Beruf Buchhalter. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters (leider nur ein Kurzauftritt von Wolfgang Böck), lernt Felix, dass er einen deutschen Halbbruder hat, der – wenig überraschend – sein genaues Gegenteil ist: chaotisch, mitunter nervtötend fröhlich, liebenswürdig. Gemeinsam wollen die beiden die Todesursache ihres Vaters herausfinden, der als Privatdetektiv während der Ermittlungen zu einem Fall plötzlich tot zusammengebrochen ist. Aus purer Neugier übernehmen sie die Detektei ihres Vaters. Im Kern ist die Serie also – wieder einmal – eine kriminalistische, auch wenn das die Hauptdarsteller so nicht sehen wollen. Genau genommen handle es sich um eine „Krimidy“, also halb Comedy, halb Krimi. Mit „Tatort“ oder „Soko Donau“ und Co. sei sie nicht zu vergleichen. Im Vordergrund stehe zudem die Beziehung zwischen den ungleichen Brüdern.

Den Schauspielern hat die Arbeit an der Serie sichtlich Spaß gemacht. Während der Dreharbeiten in Wien und im Burgenland wohnten sie sogar im selben Haus, was die Arbeit an den Rollen erleichterte. Der gebürtige Österreicher Zirner lebt heute in München, für ihn waren die Dreharbeiten ge wissermaßen ein „Nach-Hause-Kommen“. Auch Serkan Kaya kannte Wien davor schon ein bisschen, weil er mit dem Queen-Musical „We Will Rock You“ in der Stadt gastierte. Er habe zwar ein bisschen gebraucht, sich an Wien zu gewöhnen, die Stadt dann aber umso mehr ins Herz geschlossen.

Hörbar enttäuscht sind die Schauspieler, dass die Fortsetzung der Serie noch offen ist. Der ORF muss sparen und kann nicht automatisch jede Serie fortsetzen. Dafür haben am Montag Dreharbeiten zu einer neuen Produktion begonnen: Die eingangs erwähnte Katharina Straßer und Kabarettist Thomas Stipsits, im echten Leben ein Paar und Jung eltern, stehen für „Gemischtes Doppel“ vor der Kamera. Die Regie übernimmt mit Georg Weisgram einer der Köpfe hinter der hochgelobten Web-Serie „Fauner Consulting“ (mit Manuel Rubey, Matthias Franz Stein). Diesmal also Comedy, garantiert ohne Krimi.

Die Detektive: ab 12.11.14, jeweils Mi, 20.15 h, ORF eins

(Credit: Hubert Mican/ORF)

Serienschau: „Transparent“ – Papa trägt Frauenkleider

"Transparent", Foto: Amazon

Auch die größten Kritiker des Onlineversandhändlers Amazon werden zugeben müssen: Die neue Serie „Transparent“ hat was – und ist ein klarer Angriff auf Netflix.

"Transparent", Foto: Amazon
„Transparent“, Foto: Amazon

Es sind vor allem negative Schlagzeilen, mit denen der US-amerikanische Onlineversandhändler Amazon zuletzt aufgefallen ist. Mitarbeiterstreiks in Deutschland, globale Proteste gegen das Aussterben des Buchhandels und die Übernahme der US-amerikanischen Zeitung „Washington Post“ haben das Image des Konzerns beschädigt. Man ist zunächst also skeptisch zurückhaltend, wenn man hört, dass der Onlinesupermarkt jetzt auch Serien produziert.

Eröffnet wurden die Amazon Studios bereits 2010, seit gut einem Jahr werden Online-Serien wie die Polit-Comedy „Alphahouse“ beinah wie am Paketzustellungsfließband produziert (und bei Nichterfolg auch wieder eingestellt). Ende September ging die jüngste Streamingserie „Transparent“ online. Und bisher müssen auch die größten Amazon-Kritiker zugeben, dass dem Onlinehändler damit eine unterhaltsame Independent-Serie aus der Feder von Jill Soloway („Afternoon Delight“) gelungen ist.

Vordergründig geht es darin um Familienvater Mort Pfefferman (grandios gespielt von Jeffrey Tambor, bekannt aus den Serien „Arrested Development“ und „Larry Sanders Show“ und den „Hangover“-Filmen)  der mit fast siebzig Jahren beschließt, endlich offen als Frau zu leben. Der erste Anlauf, seine drei erwachsenen Kinder, allesamt in ihren Dreißigern, über sein weibliches Ich Mora aufzuklären, scheitert. Stattdessen erklärt er, er werde die Familienvilla im Westen von Los Angeles verkaufen. Die Kinder, die zuvor noch ungerührt spekuliert haben, ob ihr Vater an Krebs erkrankt sei, zanken sich um das Haus. Erst nach und nach erfahren die Kinder von seinem jahrzehntelang geheim gehaltenen Wunsch, sich als Frau zu geben. Wir Zuseher sehen in Rückblenden, wie er diesem Wunsch jahrzehntelang nur heimlich in Hotelzimmern nachgab. Nur seine Ex-Frau wusste von „dieser kleinen Sache“, die er da hatte.

Schon bald wird klar, worum es in dieser Serie eigentlich geht: Während der Vater spät, aber doch weiß, wie er leben will, kämpfen seine Kinder in der Mitte ihres Lebens um den richtigen Platz. Ohne zu viel zu verraten, sei hier ein kleiner Abriss über die Hauptfiguren gegeben: Sarah, die älteste Tochter der wohlhabenden, jüdisch-säkularen Familie Pfefferman, vergrub nach dem Studium sowohl ihre lesbischen Neigungen als auch sämtliche berufliche Ambitionen im Vorgarten ihrer schicken Villa. Als zweifache Mutter und Ehefrau eines wohlhabenden Mannes und trotz Haushaltshilfe und Kindermädchen vom Hausfrauendasein überfordert, trifft sie auf ihre einstige Jugendliebe Tammy und verliebt sich Hals über Kopf in sie.

 

Intimes Familiendiagramm

Bruder Josh ist als Musikproduzent vor allem an seiner Karriere interessiert, hat aber Schwierigkeiten, sich länger an ein und dieselbe Frau zu binden. Was mitunter an dem ungesunden Verhältnis zu seiner ehemaligen Babysitterin liegen könnte, mit der er seit seinem 15. Lebensjahr eine sexuelle Beziehung hat. Nesthäkchen Ally ist zwar „out of the box smart“, wie ihr Vater sagt, „aber sie hat Schwierigkeiten, irgendwo anzukommen“. Ohne Job und ohne festen Partner schlittert sie durch ihren Alltag. Fans der Serie „Girls“ wird die Darstellerin der Ally als verrückte Schwester von Adam bekannt sein – Schauspielerin Gaby Hoffmann allein lohnt es, „Transparent“ anzusehen. Ein bisschen unrealistisch und deshalb ärgerlich ist bloß, wie schnell sich die Familienmitglieder daran gewöhnen, dass ihr Vater plötzlich als Frau auftritt; auch die Trennungen, Partnerwechsel und sogar eine Abtreibung gehen fast schon kalifornisch „easy“ und ohne allzu große Szenen über die Bühne. So funktioniert  das im echten Leben selten. Wenn Tochter Sarah mit ihrem Dad, der jetzt eigentlich eine zweite Mum ist, am Poolrand sitzt und über „all those crazy things“ spricht, lobt sie beiläufig den Nagellack auf seinen Fußnägeln: „Schöne Farbe“. Bei der Kosmetikerin waren sie natürlich schon. Da geht es viel um Oberflächliches, wäre da nicht die Szene, als Mora und ihre Töchter zum ersten Mal gemeinsam auf die Damentoilette gehen und Mora von einer anderen Frau attackiert wird, die ihre halbwüchsigen, kichernden Töchter vor „diesem Perversen“ schützen will. 

Auch wenn sich selten vorhersagen lässt, wie sich Serien entwickeln, steht jetzt schon fest: „Transparent“ wird sicher kein massentauglicher Hit wie der Fantasy-Mehrreiher „Game of Thrones“, der CIA-Thriller „Homeland“ oder die Adelsschmonzette „Downton Abbey“, dürfte aber jedenfalls Fixstarter bei der nächsten Emmy-Verleihung sein – und in Fortsetzung gehen. Staffel zwei ist längst fixiert.

„Transparent“ ist eine weitere unterhaltsame Visitenkarte des aufgeklärten, liberalen A-Schicht-Amerikas. Hier darf jeder leben, wie und lieben, wen er will, auch wenn manche – wie Familienvater Mort – erst mit siebzig Jahren ihren Neigungen folgen. Dem kommerziell orientierten Unternehmen Amazon darf man allerdings unterstellen, den Plot bewusst superliberal und provokant (mit vielen Sexszenen) angelegt zu haben, um Netflix Konkurrenz zu machen. Schließlich ist der Onlinesender in den USA nach dem Politdrama „House of Cards“ noch viel erfolgreicher mit der Frauengefängnis-Serie „Orange is the New Black“, in der die Hauptfigur lesbisch ist. Amazon legt nun mit einem Transgender-Papi, einer lesbischen Tochter und einem Sohn mit einem sexuellen Mutterkomplex nach.

„Transparent“ ist die Westküsten-Fortsetzung der Ostküsten-Serie „Girls“. Wie bei den fünf bis zehn Jahre jüngeren Mädchen aus Manhattan drehen sich die Figuren um die Frage: Wie soll man leben? Die hochgradig neurotische, aber lustige Suche der Darsteller nach der Antwort darauf, unterlegt mit einem sehr feinen Folk- und Rock-Soundtrack (u.a. mit dem passenden Song „Your Mess is Mine“ von Vance Joy), gespickt mit lustigen Dialogen zwischen den Familienmitgliedern (grandios auch die Ex-Frau von Mort alias Mora Pfefferman) ist sehenswert. Mit Amazons Ausbeutung seiner Mitarbeiter und den Auswirkungen auf den Buchhandel muss man trotzdem nicht einverstanden sein.

Transparent. Zehn Folgen à 30 Minuten. Seit Mitte November alle Folgen über Amazon Prime auch in Österreich abrufbar.