Phänomedial: Die Sache mit Katja Riemann

headerphaenomedial_1365065982562208 Zufälle gibt’s: Da schau ich mir Samstagabend den Fernsehfilm „Verratene Freunde“ mit dem etwas überschätzten Heino Ferch, dem herausragend guten Matthias Brandt (ja, der Sohn von SPD-Politiker Willy Brandt) und der aufbrausenden Katja Riemann an – und am nächsten Morgen, beim Frühstück, blickt mir aus allen deutschen Sonntagszeitungen das Gesicht der blond gelockten Riemann entgegen. Weil sie nämlich unlängst Gast in einer deutschen Vorabend-Show war. Riemanns künstlerischen Weg habe ich zuletzt ein bisschen aus den Augen verloren, nach dem verrückten Knastausreißer-Film „Bandits“ (Wer erinnert sich noch an die trotzige Interpretation des Volksliedes: „Wenn ich ein Vöglein wär, …“ durch die vier Damen Jasmin Tabatabei, Nicolette Krebitz, Jutta Hoffmann und eben Riemann?) in mein Herz geschlossen. Auch in der Verfilmung von Erica Fischers Roman „Rosenstraße“, einer Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen während der Nazizeit, hat sie mir gefallen.

Aber gut, zurück zur aktuellen Geschichte: „DAS!“ auf dem Regionalsender NDR muss eine Fernsehshow sein, die irgendwo zwischen „Vera“ und der Jahreszeiten-Vorabendshow auf ORF 2 liegt. Belangloser Quatsch, aufgehübscht mit berühmten Gästen. Riemann war da also bei Hinnerk (Was für ein Name!) Baumgarten zu Gast am roten Sofa – und zeigte von Anfang an ihren Unwillen, bei dieser etwas seichten, schleimigen Plauderei einzusteigen. Anlass für ihren Besuch war ihre Rolle in der aktuellen Verfilmung des Bernhard Schlink-Romans „Das Wochenende“, in dem es um einen RAF-Terroristen geht, der sein erstes Wochenende nach der Haft bei seinen früheren Freunden verbringt. Da spielen auch Tobias Moretti und Sebastian Koch mit. (Schlink ist übrigens Jurist und hat auch den sehr bekannten, ebenfalls verfilmten Roman „Der Vorleser“ geschrieben).

„DAS!“-Moderator Baumgarten fragte also, wie es sein kann, dass die blondgelockte Riemann in dem Film eine Frau mit glatten, dunklen Haaren spielt und war baß erstaunt über die einfache Erklärung „Das war eine Perücke“ . Als er sie später fragte, ob sie so abhängig von einem Mann sein könnte wie die Frau, die sie in dem Film „Verratene Freunde“ spielt (eben jener Film, den ich Samstagabend in der Arte-Mediathek nachschaute), sagte sie: „Haben Sie diese Frage jetzt im Ernst gestellt?“ Und den kurzen Einspieler über ihre Heimat, in dem auch eine ihrer früheren Lehrerinnen zu Wort kam, nannte sie „wahnsinnig peinlich“. Sie wisse gar nicht, was sie darauf sagen soll, es sei ihr so unangenehm, dass da Menschen dazu gezwungen wurden, etwas über sie zu sagen. Der Moderator war offensichtlich überfordert mit der Situation, die 45-minütige Sendung eigentlich nicht mehr zu retten.

Nachkritik am Wochenende

Am Wochenende wurde dann Nachkritik gemacht: „Bild“ und „Spiegel“ empörten sich über Riemanns Verhalten, es gehöre nun einmal dazu, wenn man PR für einen neuen Film, ein Buch oder eine CD wolle, dass man dumme Fragen beantworten müsse. Die „Welt am Sonntag“ zeigte sich eher belustigt über die Posse und erinnerte bloß daran, dass Riemann schon öfter die Kratzbürstige gegeben hatte. Treffend resümierte Johanna Adorjan in der „FAS“: „Ich habe nicht gesehen, dass sich Riemann in irgendeiner Form daneben benommen hat. Sie hat sich nur nicht an die Vereinbarung gehalten, die da lautet: ‚Wir bei DAS (und bestimmt nicht nur hier) machen voll verblödetes Fernsehen für all die voll verblödeten Leute, die sich das ansehen.'“ 

Die lachende Alexa Henning von Lange

Ich musste an „Willkommen Österreich“ denken, weil dort ja auch immer berühmte Persönlichkeiten hinpilgern, um ihre neuesten Erzeugnisse zu bewerben. Meistens ergibt sich daraus ein ganz lustiges Gespräch, weil die Moderatoren Grissemann und Stermann sich und die Gäste nicht besonders ernst nehmen und nie mehr Zeit als zehn Minuten pro Gast einplanen. Aber einmal, da war bei ihnen auch eine deutsche Dame zu Gast, die einfach keine Antworten auf ihre Fragen geben wollte: die deutsche Autorin Alexa Henning von Lange („Peace“). Auf jede Frage antwortete sie mit einem lauten, hysterischen Lachen, wenn sie unterbrochen wurde, sagte sie: „Ihr hört nicht zu“ und nach wenigen Minuten resümierte sie: „Diese Unterhaltung ist extrem konfus“, legte dann aber nach: „Ich liebe dieses Gespräch“. Grissemann nannte sie irgendwann freundlich „wirr“ – und sie seufzte auf die Frage „Was hast du zum Geburtstag bekommen?“: „Ah, schöne Fragen“. Der Höhepunkt war, als sie erzählte: „Ich habe einen Freund“. Pause. „Wie heißt er noch?“ Insgesamt war das dennoch eine der unterhaltsamsten Sendungen von „WÖ“.

YouTube-Hit Katja Riemann

Dagegen war die Sendung mit Katja Riemann wirklich eine Qual. Trotzdem schließe ich mich Adorjans Analyse in der „FAZ“ mit einer kleinen Einschränkung an: Gut, dass Riemann direkt – und offenbar live – Kritik geübt hat. Sie hatte offenbar Lust, mit dem Moderator wie mit einem flüchtigen Bekannten auf einer Party zu diskutieren – leider war der darauf nicht vorbereitet. Nach etwas Kalkül riecht die ganze Aktion aber schon: Nun ist Riemann, gerade mit einem neuen Kino- und einem TV-Film on Air, wieder in aller Munde. Der Mitschnitt der „DAS!“-Sendung wurde auf YouTube bis Sonntagabend 150.000 Mal angeklickt. Lassen wir noch einige Tage vergehen, dann sind es wahrscheinlich deutlich mehr Klicks als die NDR-Sendung Zuseher hatte. Der Schauspielerin kann das nur Recht sein.

Nachtrag vom 29.3. (für alle, die das Thema noch interessiert): Der Shitstorm, in den Katja Riemann nach ihrem TV-Auftritt geraten war, hatte eine solche Heftigkeit erreicht, dass die gute Dame ihre Facebook-Seite und die Kommentarfunktion auf ihrer Webseite sperren und eine Erklärung vorlegen musste. Darin gab sie ihr Erstaunen über die Reaktionen auf das Interview zum Ausdruck und entschuldigte sich indirekt: „Ich habe wahrhaft bessere Interviews gegeben. It needs two to Tango, das ist klar!“. Das deutsche Feuilleton beruhigte sich tagelang nicht und fand viel Für und weniger Wider zu diesem Medienskandälchen. Interessierten sei hier noch der Kommentar von Stefan Niggemeier im „Spiegel“ (nr. 13/25.3.2013 – gibts leider nicht online) empfohlen, in dem er erklärte, wieso es ihm leid tut, dass er mit seinem Blogeintrag und dem Zusammenschnitt „die falsche Debatte“ ausgelöst hat: „Das habe ich nicht gewollt. Das habe ich aber auch nicht kommen sehen.“ Ein interessanter Aspekt stand da auch drin: Veronica Ferres saß einen Tag nach Riemann auf dem „DAS!“-Sofa und ließ sich bereitwillig von Hinnerk Baumgarten befragen.

„Sie hatte einen schlechten Tag“

Bei einem Interview mit Claudia Stöckl für die Jubiläums-„Presse am Sonntag“ zum vierten Geburtstag am vergangenen Sonntag habe ich – auf Wunsch von Gast-Ressortleiter Hubert von Goisern – Ö3-Frühstückerin gefragt, wie sie den Riemann-Auftritt fand – und das hat sie geantwortet:

Verstehen Sie die Reaktion von Katja Riemann auf die teilweise platten Fragen in der Talkshow „DAS!“?
Claudia Stöckl: Nein, ich verstehe die Reaktionen nicht wirklich. Katja Riemann ist ein Profi – und der Moderator hat nach der Frisur-Frage, die vielleicht kein guter Einstieg war, gleich nach der Definition ihrer Rolle gefragt. Er hat also alles getan, um ihr sofort die Möglichkeit zu geben, PR für ihren Film zu machen. Es ist selten, dass Medienprofis ihres Kalibers sich durch die Fragen des Gegenübers so aus dem Konzept bringen lassen, die meisten erzählen, was ihnen wichtig ist, egal was gefragt wird. Sie hatte offensichtlich einen schlechten Tag.

Wie würden Sie reagieren, wenn ein Gast eine solche Abwehrhaltung einnimmt?
Ich habe das alles schon erlebt. Ben Becker hat mich bei unserem Frühstück öfter darauf hingeweisen, dass ich die falschen Fragen stelle; Nena war unglücklich, als ich zu sehr nach ihrer Mutterrolle fragte und wollte abbrechen und Lena Meyer-Landrut hat meistens „Kein Kommentar“ auf verschiedenste Fragen gesagt. Ich habe gelernt das Interview, so genug Material vorhanden, so zu spielen wie es war und mich möglichst nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Wie man am Riemann-Beispiel sieht, sorgt eine Talksendung auch mit unbeantworteten Fragen für Gesprächsstoff – und warum sollen die HörerInnen nicht auch wissen, dass es schwierige Interviewpartner gibt oder diejenigen, die einen als unvobereitet oder unpassend empfinden? Es ist auch interessant auf welche Seite sich die Hörerschaft schlägt, meistens polarisieren Begegnungen dieser Art extrem.

War der Fragestil von Hinnerk Baumgarten in Ordnung? (Es ging u.a. um ihre Frisur in einem neuen Film)
Ja ich fand seine Fragen sehr in Ordnung. Was ist so schlimm nach einer Frisur in einem Film, die komplett anders ist als im Leben, zu fragen? Warum muss das Match lauten: wie stelle ich dich, den Fragesteller, bloß? Man kann ja höflich, lustig oder kurz darauf antworten – sonst war die Sendung mit Zuspielungen gewissenhaft vorbereitet, allerdings war da die Stimmung schon unter dem Nullpunkt.

Und hier gibts das komplette Interview mit Stöckl.

Phänomedial: Warum wir jetzt bloggen!

phaenomedialdritterversuchEigentlich sind wir viel zu spät. Die Zeit der Blogs ist vorbei, behaupten deutsche Medienexperten. Aber vielleicht reizt uns gerade das.

Eigentlich sind wir viel zu spät. Die Zeit der Blogs ist vorbei. Das behaupten zumindest einige deutsche Medienexperten und Medien, die ein solches Krisengerede gerne aufnehmen und weitertragen. Aber vielleicht reizt uns gerade das: Wir fangen an, wenn alle anderen schon wieder aufhören. Wir legen los, wenn allen anderen der Atem ausgegangen ist.

Wer wir sind? Heide Rampetzreiter, Maciej Palucki und Anna-Maria Wallner. Drei Redakteure von „Die Presse“ und DiePresse.com, die Online wie auch Print für die Bereiche Medien und Kultur verantwortlich sind. Die den größten Teil des Tages vor ihren Bildschirmen sitzen und dort Webmedien und soziale Netzwerke beobachten, den Datenstrom filtern, der via Nachrichtenagenturen und Onlinemedien hereinkommt. Wenn unsere Augen danach  nicht völlig müde vom Bildschirmstarren sind, geht es zu Hause weiter: Livediskussionen und Filme schauen, nebenbei twittern, die neuesten Spielfilme oder Dokumentationen auf Presse-DVDs sichten, Blogs und Bücher lesen oder die neuesten Folgen der aktuellen Lieblings-Serie (am besten im Original) konsumieren.

Wenn im hektischen Alltag noch Zeit bleibt, wollen wir in Zukunft hier unsere Beobachtungen aus dem Mediendschungel aufschreiben. Kleine Notizen aus der Branche, Kritiken über neue Printprodukte, Blogs, Sachbücher oder TV-Sendungen, Phänomene aus der Medienbranche.

Die Debatte über die Blogs in der Krise, die Anfang des Jahres von dem deutschen Journalisten und Autor Eric Kubitz ins Rollen gebracht worden war, war dann übrigens ebenso schnell wieder zu Ende wie sie begonnen hatte. Natürlich gab es einige empörte Blogger, die wortreich dagegen protestierten, das Blogwesen sei in der Krise, weil Google weniger oft auf Blogs verweise und Twitter oder Google+ viele User animieren würden, direkt Informationen und Kommentare zu verbreiten. Was wir aus der Netz-Debatte gelernt haben? Solche selbstreferenziellen Diskussionen gehören in einem nicht gerade uneitlen Gewerbe dazu. Seit dem ersten großen Blog-Hype 2003 sind viele digitale Chronisten mit ihren Plattformen eingegangen, viele neue dazugekommen, aber vor allem: die meisten noch immer putzmunter und lebendig. Nicht selten werden berühmte Journalisten wie Theodor Herzl (wie von „ZiB“-Anchor Armin Wolf in der gleichnamigen Vorlesung im Frühjahr 2012 erwähnt) oder Karl Kraus als Paradebeispiele für unabhängige, unkonventionelle Schreiber herangezogen, die, würden sie heute leben, vermutlich Blogger wären.

Lange Rede, kurzer Sinn: „Blog is Pop“, wie Blogger Thomas Gigold von Medienrauschen zur Blogdebatte im Jänner meinte. Wir haben was zu sagen und deswegen legen wir jetzt los.