„Kuckucksmädchen“: Die Nester der anderen

Rezension. Lohmann macht es ihrer entscheidungsschwachen Protagonistin zu leicht, ihr Männerproblem zu lösen.

Einer der ersten war Florian Illies. Als der deutsche Journalist im Jahr 2000 in seinem Buch „Generation Golf“ Beobachtungen über die in den 1970er-Jahren geborenen, in materieller Sorglosigkeit, zwischen Nutella und „Wetten, dass…“ aufgewachsenen Gleichaltrigen machte, wurde er nicht nur zum Bestsellerautor – er hatte dem deutschen Buchmarkt nebenbei zu einem neuen Verkaufstrend verholfen: dem Generationenbuch oder -roman. 

Seither werden Jahr für Jahr hunderte Bücher auf den Markt gespült, die zwanghaft eine bestimmte Gruppe von Menschen unter einem besonderen Schlagwort zusammenfassen wollen. Die heißen dann „Generation Doof“, „Generation Man müsste mal“ und „Generation Laminat“ oder werden, wie von Journalistin Nina Pauer, gleich in eine „Gruppentherapie“ geschickt. Ganz weit oben auf der Liste dieser Sachbücher standen zuletzt Werke über den distanzlosen Umgang mit sozialen Medien und Smartphones, die nach Meinung diverser Autoren eine rastlose, Burn-out-anfällige Jugend heranwachsen lässt.

Die „Generation Option“ hat die 31-jährige Autorin Eva Lohmann für ihren neuen Roman genauer unter die Lupe genommen. Das zumindest verspricht der Klappentext. Tatsächlich geht es in „Kuckucksmädchen“ um die ganz konkrete Geschichte von Wanda. Die 30-Jährige löst im Brotberuf die Haushalte fremder Menschen auf und ist seit drei Jahren mit ihrem Freund Jonathan zusammen. Als der ihr eines Abends über ein Thai-Curry-Huhn gebeugt einen Heiratsantrag macht und nach dem Tod ihrer Großeltern plötzlich eine große Wohnung für die Familiengründung vorhanden wäre, gerät Wanda in Panik. Sie weiß doch nicht, ob Jonathan der Mann ist, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen will.

Das Herz, das spricht

Die reichlich banale Geschichte bekommt zusätzlich eine surreale, aber vor allem lästige Komponente durch Wandas geschwätzige innere Stimme. Es ist ihr vorlautes, bockiges Herz, das in den unpassendsten Momenten mit Wanda zu sprechen beginnt – und es bringt sie auf die Idee, ihre früheren Partner aufzusuchen. Sie besucht also Philipp und seine schwangere Freundin Larissa; danach Max, seine Frau Anouk und die Zwillinge in ihrer plüschig-bunten Heile-Welt-Wohnung und verbringt ein Wochenende mit Ilya. Noch bevor sie Kurzzeitschwarm Clemens persönlich antrifft, begegnet ihr dessen Freundin Mila, die sich als kollegiale Gesprächspartnerin mit therapeutischen Fähigkeiten entpuppt. Mila ist es auch, die Wanda nach ihrer rastlosen Beobachtermission zu den gemachten Nestern ihrer früheren Liebhaber mit sehr einfachen Ratschlägen weiterhilft. Es sei letztlich ganz egal, mit welchem Mann sie ein eigenes Nest baut und Kinder bekommt. „Am Ende sterben wir alle. Wir müssen einfach nur die Angst ablegen, es falsch zu machen. Die Angst vor falschen Entscheidungen.“ Auch wenn das Happy End in diesem nicht sehr tief gehenden Buch immer absehbar war, hinterlässt einen das uninspirierte Ende enttäuscht: Weil schon Protagonistin Wanda schon diese wenigen Sätze reichen, um zu erkennen, dass sie es mit ihrem Jonathan versuchen will.

Dieses Buch ist kein Generationenbuch und das Beste daran ist noch: Es versucht nicht einmal, eines zu sein. Denn Unentschlossenheit ist kein Symptom einer bestimmten Altersgruppe, es ist ein Wesenszug, den manche Menschen mehr und andere weniger oder überhaupt nicht haben. So einfach wie in diesem Plot lässt sie sich im realen Leben nicht immer vertreiben.

(„Die Presse am Sonntag“, Print-Ausgabe, 25.11.2012)