„Girls“: Jetzt schreibt sie auch noch

Lena Dunhams Buch „Not That Kind of Girl“ sollte man wie ihre Serie auf Englisch konsumieren. Hinter den flapsigen Texten über Nacktheit, Hypochondrie, Vergewaltigung und ihre Familie steckt ganz schön viel Weisheit für eine 28-Jährige.

Lena Dunham (Credit: AutumndeWilde)Wer noch Zweifel an Lena Dunhams Herkunft und Erziehung hatte, verliert sie nach Lektüre dieses Buches. Hier plaudert eine junge Frau aus liberalem Manhattaner Künstlerhaushalt, die schon als Dreijährige „mit anderen Töchtern von Downtown-Rebellinnen“ feministische Treffen besuchte, „während unsere Mütter die nächste Demo organisierten“. Sie wächst in einer Familie auf, „die mich liebte und keine größeren Sorgen hatte außer, welche Galerie wir am Sonntag besuchen sollten und ob der Kinderpsychologe bei meinen Schlafproblemen weiterkam“. 

Das, was Lena Dunham hier als wunderbare Kindheit beschreibt, ist Grund für viele, die 28-Jährige nicht ernst zu nehmen oder gar zu verachten. Weil eine wie sie vom echten Leben nichts verstehen könne. Auf der anderen Seite gibt es viele, vor allem Frauen aller Altersstufen, die sie verehren. Vielleicht weil sie erkennen, dass man nach einer solchen Kindheit auch eine ganz andere hätte werden können. Oberflächlich, faul, sich auf Geldpolster und Ruhm der Künstlereltern ausruhend oder aus Mangel an existenziellen Problemen sich auf die Perfektion ihres Äußeren konzentrierend.

„Mein Boss bin ich“
Stattdessen hat Dunham neben gesundem Selbstbewusstsein offenbar auch viel Gescheites von ihren Eltern mitbekommen, früh zu schreiben und drehen begonnen und als 24-Jährige mit „Girls“ eine der spannendsten Serien über junge Erwachsene im Manhattan der 2010er-Jahre erfunden. In der spielt sie nicht nur die Hauptrolle, sondern zeigt auch einen ungezwungen Umgang mit ihrem nach Hollywood- oder Prêt-à-porter-Maßstäben alles andere als perfekten Körper und dem Thema Sex. Auch das übrigens brachte ihr gleichermaßen Kritik wie Lob ein. Schauspielerin Mia Farrow etwa forderte nach dieser einen, ganz besonderen „Girls“-Folge (Staffel Zwei), in der Dunham nur in Unterhosen Tischtennis spielt und mit einem makellosen Mann schläft, via Twitter einen Golden Globe für Dunham.

Den Preis hat sie ein Jahr später wirklich bekommen, und der Nacktheit widmet Dunham in „Not That Kind of Girl“ sogar ein ganzes Kapitel. Dass sie sich so gerne nackt zeigt, ist wohl ebenso Folge einer liberalen Kindheit als auch einer Fotografen-Mutter, die mit ihrem eigenen Körper experimentierte. Als Lena als junger Teenager in den Ferien mit einem gleichaltrigen Freund Fahrrad fuhr, kam es ihr unfair vor, dass sie T-Shirt trug und er nicht. „Ich hielt an, zog mein T-Shirt aus, und wir strampelten schweigend weiter.“ Eine Szene, die aus „Girls“ stammen könnte. Dass sie in ihren Filmen oft nackt ist und Sex-Szenen dreht, verschaffe ihr auch eine Form von Kontrolle über Set und Szene. „Doch ich tue es vor allem, weil mein Boss es von mir verlangt. Und mein Boss bin ich.“

Natürlich muss man Lena Dunhams vordergründig oberflächlichen Plauderton mögen, vor allem weil man zwischen den bisweilen flapsigen Nonsense-Sätzen gern die tiefgründigeren über Selbstachtung, Verlust und den Umgang mit dem eigenen Körper überliest. Es lohnt sich also mehr als sonst, das Buch – so wie übrigens auch die Serie – im englischen Original zu konsumieren. Obwohl die deutsche Ausgabe soeben fast zeitgleich mit der englischen erschien, lesen sich Dunhams Aufzeichnungen im Original authentischer. Dass bei der Übersetzung die feinen Zwischentöne verloren gehen, zeigt schon der Untertitel: Aus dem Englischen „A young woman tells you what she’s ,learned‘“ wird im Deutschen die ironiefreie Version „Was ich im Leben so gelernt habe“.

Entbehrlich sind die Buzzfeed-Listen
Schon 2012 unterschrieb Dunham den 3,5-Millionen-Dollar-Vertrag mit Random House. Dem Druck, den eine solche Summe auslösen muss, hielt sie stand und lieferte eine bunte, ziemlich ehrliche Erzähl-Collage einer starken jungen Frau, die ihre Jugend und ihr junges Erwachsenenleben reflektiert. Entbehrlich sind nur die an Buzzfeed erinnernden Listen wie „15 Dinge, die ich von meiner Mutter gelernt habe“ oder „die Top Ten meiner Ängste in Sachen Krankheiten“. Doch apropos Krankheit. Neben den Erfahrungen mit „Fieslingen“, auf die sie früher reinfiel und von denen einer sie vergewaltigte, schildert sie ihre frühe Besessenheit vom Tod und die Therapien, die sie aufgrund ihrer Zwangsneurose und ihrer Angstzustände macht. Auch eine behütete Kindheit lässt genug Platz für Irregularien und Abnormitäten. Eine der berührendsten Geschichten ist die über das Coming-out ihrer jüngeren Schwester Grace, das sie zwar unerlaubt der Mutter verrät, an der aber das besonders liebevolle Verhältnis in der Familie spürbar wird.

Längst ist Dunhams Ruhm so groß, dass selbst ihr freundlich gesinnte Menschen genau beobachten, ob sich die Frau verbiegen lässt, etwa plötzlich radikal abnimmt. Bis auf die Aufregung um eine Fotostrecke in der „Vogue“, in der Dunham sichtbar schlanker und makelloser aussah als real, war das bisher nicht der Fall. Ihr Buch hat sie neben ihrer Familie der 2013 verstorbenen (Drehuch-)Autorin Nora Ephron („Harry und Sally“) gewidmet. Mit dieser wird sie nun gern verglichen. Dabei ist Dunham, ganz wie ihre „Girls“-Protagonistin Hanna Horvath sagt, „eine Stimme einer Generation“ – und daher eigentlich unvergleichbar mit den vielen Stimmen früherer Generationen.

ZUR PERSON

Lena Dunham, geboren 1986 in New York City, die ältere von zwei Töchtern des Malers Carroll Dunham und der Fotografin Laurie Simmons. Sie begann schon früh Texte zu schreiben, studierte Kreatives Schreiben am Oberlin College. Mit ihrem ersten Langfim „Tiny Furniture“ machte sie erstmals auf sich aufmerksam. Seit 2012 ist sie Drehbuchautorin, Produzentin und eine der vier Hauptdarstellerinnen in der HBO-Serie „Girls“. Staffel vier wird Anfang 2015 ausgestrahlt. Das Buch „Not That Kind of Girl“ erschien soeben auf Englisch bei Random House und am Dienstag auf Deutsch bei S. Fischer (Übersetzt von Sophie Zeitz und Tobias Schnettler, 304 Seiten, 20,60 Euro). Random House bezahlte Dunham im Vorfeld ein 2,8 Millionen-Euro-Honorar.