Der teuerste Tag

36.000 Ehen werden jedes Jahr geschlossen. Die Formel Standesamt/Kirche und zum Wirt ums Eck gilt längst nicht mehr. Ob klein oder groß, die Feier muss ungewöhnlich sein.

Irgendwann zwischen dem letzten April- und dem ersten Mai-Wochenende beginnt sie, zumindest in unseren Köpfen: die Hochsaison für das Ja-Sagen. Das Wetter ist endlich, die vielen Feiertage erleichtern das Freinehmen vor und nach dem Fest für Brautpaar, Familie und Freunde– und der Frühling steht ja immer irgendwie für Neuanfang.

Untersucht man die Zahlen der Statistik Austria, zeigt sich aber: Der Mai ist schon seit Jahren nicht mehr beliebtester Hochzeitsmonat. 2013 wurde am häufigsten im August geheiratet, 2012 und 2011 im Juni. Zudem lässt sich ein Faible für Zahlenspiele erkennen: Von 2001 bis 2012 gab es stets in jenem Monat (deutlich) mehr Hochzeiten, der numerisch zur Einerstelle der Jahreszahl passte (also: 2006 im Juni, 2010 im Oktober, aber auch im änner 2001 und im Februar 2002 waren es ungewöhnlich viele Hochzeiten für diese Jahreszeit). Spitzenreiter war der 8.8.2008.

Insgesamt geht die Zahl der Eheschließungen zurück, wenn auch nicht so dramatisch, wie viele glauben. Wurden in den 1990ern zwischen 42.000 und 45.000 Ehen pro Jahr geschlossen, sind es seit einiger Zeit 35.000 bis 39.000 (2005). Leicht gehen auch die kirchlichen Trauungen zurück: 2003 waren es noch 12.545, zehn Jahre später sind es 11.155.

 

Ein Tag ist nicht genug: Heirate lieber ungewöhnlich

In der gehobenen Mittelschicht ist es schon länger schick, kostspielige Hochzeitsgalas für mehrere hundert Gäste auszurichten.

Eine Fotoecke mit skurrilen Utensilien für die Gäste des Brautpaars gehört aktuell zur Minimalausstattung einer modernen Hochzeit. Bunte Brillen, Perücken oder Sprechblasen, in die man Glückwünsche für das Paar schreiben kann, bringen alle zum Lachen – und am Ende eines langen Tages Leichtigkeit in eine Sache, die bei vielen monatelang generalstabsmäßig geplant wurde.

Kutschenfahrt, berühmte Sänger, supergeschmackvoll dekorierte Galatische, mitternächtlicher Hotdog-Stand– die eigene Hochzeit wird in der gehobenen Mittelschicht gern als teures Großevent inszeniert, das schnell 20.000 bis 40.000Euro kostet. Das Schmalspurprogramm „Standesamt, Kirche, Wirt ums Eck“ ist schon sehr lange mehr Ausnahme als Regel. Brautpaare wollen heute nicht nur einfach vor Zeugen Ja sagen. Vielleicht, weil sie sich im Durchschnitt länger Zeit lassen mit dem Heiraten – und wenn es so weit ist, mit Ende 20, Anfang 30, will man dem bis dahin durch Studium, Auslandsaufenthalte und erste Berufsjahre ordentlich angewachsenen Freundes- und Bekanntenkreis nicht nur zeigen, wie gern man einander hat, sondern dass man verdammt noch mal eine wirklich fette Party feiern kann.

Wer schon in der Traumwohnung wohnt, am Anfang einer vielversprechenden Karriere steht und sich die gewünschten Autos, Reisen und/oder Hobbys dank Einkommen und/oder dem entsprechenden familiären Background leisten kann, der muss nur noch in der letzten Disziplin namens „Super-Wedding“ reüssieren. Also wird entweder wirklich groß in Palais, Schlössern oder (wenn auch in Österreich eher seltener) auf dem Privatgrundstück gefeiert. Oder besonders individuell, in Südfrankreich oder Italien oder an ganz speziellen Locations. Das Haus im (Neusiedler-)See der Familie Eselböck etwa lebt in den Sommermonaten gut von Hochzeiten.

Wenn ein oder beide Teile des Brautpaars eine Zeit im Ausland studiert oder gelebt haben oder nicht an ihrem Wohnort feiern, wird die Hochzeitsfeier schnell zum Dreitagesfest, in manchen Kreisen gar mit striktem Dresscode: Tracht bei der Soirée am Vorabend. Cut in der Kirche am Nachmittag. White Tie (bodenlanges Ballkleid für sie, schwarzer Frack für ihn) beim abendlichen Gala-Dinner. Sportlich-leger und mit Sonnenbrille beim Brunch am Tag danach. Dass Gäste für Outfits und Hotelzimmer selber aufkommen, ist dabei selbstverständlich.

Dass Hochzeiten von Kindern aus bürgerlichen oder aristokratischen Familien heute in der Regel größer sind, als die ihrer Eltern vor 30 Jahren, lässt sich erklären. Weil Freundeskreise dank Studium, sozialer Netzwerke und Berufe beider Partner noch einmal größer sind als früher – und wenn man Glück hat, der Wohlstand in einer Generation sich gesteigert hat. Den Rest hat die US-Eventkultur erledigt. Wer regelmäßig die „Wedding“-Seiten der Wochenendausgabe der „New York Times“ liest, erfährt fast nur von Hochzeiten der Upper- oder Middleclass in der eben beschriebenen Dimension.

 

Das Fest für andere planen

Weddingplanner sind die Cupcake-Bäcker der Eventbranche.

Seit sechs Jahren betreibt Ingrid Loss ihre „Hochzeitswerkstatt“ in Wien Währing. Als sie begonnen hat, habe es nur 60 Mitbewerber gegeben, „heute sind es sicher an die 200“, schätzt sie. Auch Diana Gruber und Miriam Kanneberger beobachten, dass sie immer mehr Konkurrenz bekommen. Seit 15 Jahren bieten sie mit ihrer Agentur Weddingplanner Hochzeitsberatung an. Jüngst seien viele junge Unternehmer mit Dumpingpreisen auf den Markt gedrängt. Nicht zuletzt, weil man sich heute auch beim Wifi einfach zum Eventmanager ausbilden lassen kann. In der Eventbranche sind die Weddingplanner also so etwas wie die Cupcake-Bäcker in der Patisseriewelt.

Das dürfte allerdings auch an der zunehmenden Nachfrage liegen. Vom Rundum-sorglos-Paket bis zu einzeln buchbaren Leistungen wie der Organisation des Caterings, der Blumen oder der Musik wird alles angeboten. Die Komplettorganisation einer standesamtlichen Trauung beginnt in der Hochzeitswerkstatt bei 1890 Euro, bei kirchlichen Trauungen bei 2490 Euro. Maryan Yeganehfar gehört die Wiener Yamyam Event Production, die seit 2008 auch Hochzeitsplanungen anbietet, darunter häufig mehrtägige Auslandshochzeiten. Ihr Komplettpaket beginnt erst bei 30.000 Euro „und ist nach oben offen“. Wie lang braucht man, um eine Hochzeit zu planen? „Ein Jahr im Voraus ist schön, aber ich habe auch schon Hochzeiten in vier Tagen geplant“, sagt Yeganehfar. Eine echte Notsituation: Das Brautpaar brauchte dringend Hilfe, weil alle Lieferanten plötzlich abgesprungen waren.